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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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erstarrte und Ben nutzte die Sekunde der Verwirrtheit, um Frau Schwaiger an sich zu reißen. Er hielt ihren zierlichen Körper fest zwischen seinen großen, starken Händen. Er ließ sie keinen Schritt weichen. Sie gehörte jetzt ihm!
    »Du hast mich also nicht ausgelacht? Du warst also nur überrascht, dass ich etwas von dir will? Dann macht es dir bestimmt nichts aus, wenn ich anfange.«
    Und dann warf er Frau Schwaiger zu Boden. Zuerst stand er nur regungslos da und starrte auf sie herab, ehe die Wut sich in Wahnsinn wandelte und Schritt für Schritt an Macht gewann. Er öffnete den Knopf seiner Jeanshose, ehe er den Reißverschluss hinabzog. Er hatte es vielleicht noch nie getan, aber er wusste ganz genau, wie es funktionierte. Außerdem war sein Verstand bereits auf Standby.
    »Nein, Benni … nicht …«, flehte Frau Schwaiger, während sie nach hinten kroch und zu weinen begann. Sie wollte nur noch weg. Fort von diesem Alptraum, der so plötzlich über sie hereinbrach.
    »Nein, du bleibst hier! Ich habe es satt, immer wieder abgewiesen zu werden! Ich bin auch nur ein Mann und ich habe auch Bedürfnisse!«
    Er warf sich zu Boden, der aufgrund des ungebremsten Aufschlags zu poltern begann. Dann kroch er auf Frau Schwaiger zu, packte zuerst ihre Füße, presste sie zu Boden, dann nahm er ihre Hände, presste sie zu Boden und dann packte er ihren Hals … und presste ihn zu Boden.
    Sie hörte auf zu schreien, auf zu reden. Sie konnte nur noch weinen. Ihre Tränen liefen in schmalen Bahnen ihre wunderschönen, engelsgleichen Wangen hinab und Ben konnte allein daran denken, wie unglaublich hübsch diese Frau doch war. Wie sehr er sie vergötterte. Und dann sah er ihre Augen, ihre angstgeweiteten Augen, die unnatürlich aus ihren Höhlen gepresst wurden. Erst dann verstand er, was er eigentlich tat … und ließ ab.
    Seine Arme peitschten auseinander wie eine Gartenschere, deren Verriegelung gelöst wurde. Er sprang auf, stand breitbeinig und mit offener Hose über ihr. Er wollte jeden weiteren Körperkontakt vermeiden. Er ekelte sich regelrecht vor sich selbst. Er schluckte schwer.
    Oh mein Gott … oh mein Gott … oh … mein … Gott … was hab ich nur getan?
    Kaum war sein Verstand zurückgekehrt, schoss das Adrenalin nur so durch seinen Körper und ließ ihn noch einmal durchleben, was er in der letzten Minute getan hatte. Was der Wahn aus ihm gemacht hatte.
    Oh … mein … Gott …
    Sie lag einfach nur da. Sie rührte sich keinen Millimeter. Nichts an ihr! Weder die Finger, Augenlider, oder gar ihre Pupillen. Nichts! Rein gar nichts! Er hatte sie doch nicht … er war doch kein …
    Ben schluckte und schluckte, doch die Angst formte sich schneller, als er reagieren konnte. Sein wild schlagendes Herz tat sein Übriges. Er musste Klarheit schaffen. Er musste es wissen. Er musste sie berühren. Doch er konnte nicht … er wollte nicht.
    Was hab ich nur getan? Was hab ich nur getan? Was hab ich nur getan?
    Dieser Satz hallte wie ein Mantra in seinem Kopf wider und egal wie entsetzt er in diesem Moment war, er konnte nicht einfach tatenlos herumstehen. Er musste es tun. Es gab keinen Ausweg. Es sei denn … Flucht.
    Nein! Nein … ich kann nicht einfach …
    Er unterbrach sich selbst, dann kniete er sich zu Frau Schwaiger hinab, die wie ein gefallener Engel auf dem Teppichboden lag. Zuerst fühlte er ihren Puls an der Halsschlagader. Nichts. Dann fühlte er ihre Brust. Nichts. Dann die Hand. Nichts. Nichts. Nichts.
    »Oh mein Gott …«
    Diesmal sprach er es aus. Es war nicht mehr als ein Flüstern. Dann stand er auf, wandte sich um und lief davon.
    Ben lief … und lief … und lief.

    Er hatte das Kellerabteil hinter sich gelassen, war der schmalen Treppe nach oben gefolgt und durch die offenstehende Tür in den Flur entschwunden. Er hatte sie nicht geschlossen, als er hinabgestiegen war. Obwohl kaum Zeit vergangen war, kam es ihm wie eine Ewigkeit vor.
    Zeit war eine merkwürdige Sache. Obwohl uns von klein auf oder spätestens in der Grundschule eingebläut wurde, dass jede Minute sechzig Sekunden, jede Stunde sechzig Minuten und jeder Tag vierundzwanzig Stunden hat, sagt uns unser Körper jeden Tag aufs Neue, dass diese Regelung völliger Unsinn ist.
    Unsere innere Uhr war alles, was zählte. Und sie allein bestimmt, wie lang eine Sekunde, Minute oder Stunde tatsächlich war. Sie machte aus einer Sekunde Stunden und aus Minuten einen ganzen Tag.
    Seit Jake in der Schnitzeljagd gefangen war, war er ebenso

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