760 Minuten Angst
Puls stieg rapide. Konnte es tatsächlich sein, dass »C« den einzigen Menschen in seiner Gewalt hatte, der ihm etwas bedeutete? Konnte »C« davon wissen?
Hat er wirklich meine Nichte in seiner Gewalt?
Alles um Rick herum fing an, sich zu drehen und obwohl er sich mit solchen Dingen nicht auskannte, glaubte er zu hyperventilieren. Alles wurde endgültig zu viel für ihn. Egal was noch kommen sollte, bereits jetzt war Rick an einem Punkt angekommen, wo er nicht mehr weiter konnte. Er wollte nur noch sterben.
Doch was wird dann aus Karo?
Rick schloss die Augen.
Was wird aus Klara?
Rick atmete tief ein und aus.
Was wird aus Rocko?
Rick öffnete die Augen und sah seiner weißen Königin tief in die halbgeöffneten Katzenaugen, ehe sein Blick auf Rocko fiel. Auch er schien langsam zu sich zu kommen, doch sein Körper war noch der eines Toten. Und obwohl sein Herz blutete, hatte Rick eine Entscheidung gefällt. Es ging nicht anders.
Er musste seine Augen schließen, um seine Königin auf den Boden zurückzulegen. Er hätte ihr dabei unmöglich in die Augen sehen können. Sie hätte sofort gespürt, was er vorhatte. Sie hätte begriffen, dass er sie im Stich ließ. Ricks Tränensee erwachte erneut, als er aufstand und sich von seinen Lieblingen abwandte.
Mit geöffneten Augen, aber gesenktem Haupt, schritt er schweren Herzens in die Ecke, wo die von »C« angekündigte Axt auf ihn wartete. Sie sah wie jede andere, gewöhnliche Axt aus, wie sie zuhauf in Baumärkten angeboten wurden, um damit Holz zu spalten. Doch Rick sollte damit kein Brennholz produzieren, sondern seinem Haustier ein Körperteil abschlagen.
Kaum drang dieser Gedanke an die Oberfläche, stach es tief in seinem Herzen, als hätte ihn ein Messer durchbohrt. Obwohl Rick einen Entschluss gefasst hatte, war er sich immer noch nicht im Klaren gewesen, was wirklich damit verbunden war. Wie sollte er bloß …
»Nein!«, brüllte sich Rick selbst an und schüttelte dabei heftig den Kopf, als könnte er dadurch die Selbstzweifel herausschleudern.
Es geht nicht anders. Verdammt nochmal! Es geht einfach nicht anders. Ich muss … ich muss …
Er wollte den Gedanken nicht beenden. Zu deutlich wusste Rick, dass dieser die Macht haben würde, ihn vollständig zu zerbrechen. Er würde die Aktion nicht mehr durchführen können, obwohl er es musste . Es gab keinen Ausweg.
Nicht … wenn er wirklich … wenn er Karo … ich darf sie nicht im Stich lassen. Nicht sie!
Ein weiteres Mal schloss Rick seine Augen, beruhigte seine Atmung und reinigte seine Gedanken. Erst dann war er bereit, den kalten, rotlackierten Holzgriff der Axt mit seiner Hand zu umschließen und sie aufzuheben. Sie fühlte sich unsagbar schwer an, auch wenn Rick wusste, dass sie es nicht war. Doch die Bürde hatte ihr eigenes Gewicht.
Weiterhin mit gesenktem Haupt ging Rick den viel zu kurzen Weg zu seinen Lieblingen zurück. Noch ehe er einen einzigen, klaren Gedanken fassen konnte, stand er bereits vor Klara und Rocko. Ihre Körper waren taub, doch ihre Augen dafür umso klarer. Ihre Pupillen bewegten sich wie Blitzlichter. Hin und her … hin und her … hin und her …
Wieder dieser Stich durchs Herz. Dann noch einer … und noch einer. Es hörte nicht auf. Etwas tief in seinem Innersten malträtierte sein Herz und wollte es zum Stillstand bringen. Vielleicht wäre es besser gewesen … wenn da nicht seine Nichte wäre. Wenn er nicht jemanden zu beschützen hätte … außer ihnen !
Einen langen Teil meines Lebens habt ihr mich begleitet. Ihr habt mir Liebe geschenkt, echte Liebe, wie sie nur Tiere besitzen und mich vergessen lassen, wie schlecht die Menschen und ihre Welt ist. Doch nun stehe ich hier … mit einer Axt in der Hand und muss euch wehtun. So wie die Menschen sonst mich verletzen.
Ich … es tut mir so leid.
Obwohl Rick immer den starken Mann markierte, zu allen schroff und gemein war und nichts mehr hasste als männliche Heulsusen, machte ihm die Tatsache, dass er gerade selbst im Tränenfluss badete, überhaupt nichts aus. Er hätte es auch gar nicht verhindern können. Noch nie hatte seine Seele so viel Schmerz erfahren, als er die Axt mit beiden Händen umschloss und in die Höhe regte.
Bitte vergib mir, Rocko … aber Klara … sie ist doch so klein … zerbrechlich … meine Königin.
Rocko … du weißt es doch … nicht wahr? Ich … ich liebe dich … ich hab mich zusammenschlagen lassen, weil ich euch um keinen Preis verlieren wollte.
Doch nun …
Ich
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