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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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praktische Lösung gewesen. Sie hätten mir ein schrecklich trauriges Begräbnis ausrichten lassen. Meine Mutter hätte sogar einen dramatischen Auftritt an meinem Grab hinlegen können.
    Das theatralische Schluchzen am anderen Ende der Leitung ließ sich nicht länger ignorieren.
    »Sorry, den Gefallen hab ich euch nicht getan.«
    Meine Mutter jodelte los wie ein Dackel bei Vollmond.
    Mann, diese Seifenoper hatte ich ganz vergessen.
    »Mir geht’s super, danke der Nachfrage und tschüss.«
    Ich legte auf. Das Telefon zitterte in meiner Hand.
    War klar. Die machte wieder eine Tragödie aus allem, die blöde Kuh. Wie rücksichtslos von mir, dass ich einmal mehr nur an mich gedacht hatte. Dabei hätte meine Mutter sich eigentlich denken können, dass ich kein Mitleid mit ihr haben würde.
    Hatte ich nämlich nicht!
    Ganz sicher nicht.
    Nein!
    Ohne Vorwarnung schrillte das Telefon wieder los.
    Vor Schreck ließ ich es fallen, es hopste bimmelnd auf den Polstern der Couch.
    »Lass mich in Ruhe!«, schrie ich das Gerät an.
    Es klingelte lauter. Ich schnappte den Apparat und stopfte ihn in eine Ritze zwischen die Polster. Gedämpft klingelte es weiter.
    Im gleichen Moment vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Verdammt!
    Ich musste hier weg.
    Sollte Claudius es wagen, mir aufzulauern, würde ich ihm das ein für alle Mal abgewöhnen! Meine Finger tasteten nach dem Federhalter in meiner Hosentasche, während ich mir eine von Danners Wollmützen über die kurzen, blonden Zotteln zog, in meine Jacke schlüpfte und die Wohnung verließ.
    Tag 22
    BELLAS BLOG:
    FREITAG, 19.09 UHR
    Das Dieter-Desaster ist in die nächste Runde gegangen.
    Sina ruft stündlich an. Weil heute Freitag ist. Sie weiß, dass ich freitags einen relativ lockeren Arbeitsplan habe. So setzt sie mich über die neuesten Katastrophen in Kenntnis. Wie gesagt: Stündlich.
    Um neun Uhr war sie den Tränen nahe. Weil Dieter beim Frühstück kein Wort gesagt hat. Nur an dem neuen Handy gefummelt. Um zehn wollte sie sich trennen. Um elf habe ich ihr von Marios Ausraster nach der Geburtstagsfeier berichtet. Sie hat gemurrt. Sie wäre froh, wenn Dieter sie mal anschnauzen würde. Statt sie zu ignorieren. Aber die Trennung konnte ich ihr wieder ausreden. Stattdessen wollte sie heute Abend mit Dieter ausgehen. Und das Thema Verlobung selbst ansprechen. Weil der Vollidiot nicht von allein drauf kam.
    Um zwölf hatte Dieter der Dämliche meine Bemühungen zur Rettung seiner Beziehung zunichte gemacht. Mit einer knappen Mail. Sie lautete: hallo Sina-schatz komme heute spät war mit kurt bei burger-king geh mal wieder mit deiner freundin weg, ja?
    Um fünf nach zwölf hatte Sina ihm zurückgeschrieben. Dass er seine Sachen vor ihrer Haustür abholen könne.
    Das ist das zwölfte Mal, dass sich Sina und Dieter trennen. Wenn ich richtig gezählt habe.
    Mario und ich hingegen haben in zehn Jahren keine einzige Trennung zustande gebracht. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Unsere Ehe scheint doch zu funktionieren. Marios Nerven liegen im Augenblick blank. Wegen des Jobs. Das ist alles.
    Heute ist Freitag. Er hat früher Feierabend gemacht. Prompt war seine Laune besser. Wir waren zusammen einkaufen. Haben gemütlich Kaffee getrunken. Und heute Abend steht eine Familienfeierlichkeit auf dem Programm. Wie könnte es anders sein?
    Tante Minna wird dreiundsiebzig. Zur Feier des Tages veranstaltet sie eine Grillparty. In ihrem Schrebergarten. Wolldecken und Winterjacken inklusive.
    Aus diesem Grund musste ich Sina auf ein Treffen morgen Abend vertrösten. Leider. Denn eigentlich lasse ich meine Freundinnen nie hängen. Schon gar nicht in so einer Krise.

15.
    Zwei leuchtend gelbe Raubtieraugen fixierten mich. Lauernd. Sie waren kaum zehn Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Die Pupillen zu senkrechten, schwarzen Schlitzen verengt.
    Auge in Auge starrten wir uns an. Kampfbereit.
    Ihr buschiges, hellgelbes Fell und ihr Übergewicht ließen die Katze sehr groß wirken. Als hätte mir ein kleiner, dicker Löwe die Tür geöffnet. Überhaupt, wie schaffte es das Vieh, auf Augenhöhe mit mir seinen Kopf aus dem Türspalt zu stecken?
    Die Öffnung erweiterte sich und das rundliche Gesicht von Agnes Friedlich erschien unterhalb des breiten Katzenkopfes. »Ja, bitte?«
    Ich erinnerte mich an meine Rolle und zupfte mir die Mütze vom Kopf: »Ähm, ich bin’s, Liliana. Die Neue vom Pflegedienst.«
    »Ach, Liliana. Klar. Entschuldige, ist immer ein wenig ungewohnt, wenn man sich

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