80 Days - Die Farbe der Lust
der rechten den Druck meiner Finger zu verringern. Diesmal machte der Reißverschluss keine Mucken – typisch –, und ich stieg aus dem Kleid. Meinen Slip hatte ich in der Krypta in meine Handtasche gesteckt, statt mich vor Dominiks Augen hineinzuwinden, so trug ich nun nichts anderes mehr als meine High Heels. Wie angenehm die kühle Luft war, die durch das offene Fenster hereinströmte und sanft über meinen Körper strich.
Ich schloss die Augen, spreizte die Beine und befingerte mich am Fenster vor einem imaginären Publikum, statt mich wie sonst aufs Bett zurücksinken zu lassen.
Es war der Gedanke an Dominiks letzten Befehl, der mich schließlich über die Kante trieb, der Ton seiner Stimme, als ich mich hinuntergebeugt hatte und gerade die Fesselriemchen meiner High Heels lösen wollte.
»Nein. Behalte sie an.«
Es war keine Aufforderung gewesen, keine Frage, die in seiner Stimme mitschwang, kein Gedanke daran, ich könnte etwas anderes tun, als ihm Folge zu leisten. Dabei war ich eigentlich nicht von der fügsamen Sorte und hatte ihm auch nie diesen Eindruck vermittelt. Doch die Befehlsgewalt, die in seiner Stimme mitschwang, bescherte mir aus einem nicht zu erklärenden Grund Wellen der Ekstase.
Ich kam in einer Woge lustvoller Zuckungen, die meine Möse durchfuhren, und die zarten Nachbeben kribbelten warm in meinem ganzen Körper.
Als ich genauer nachdachte, wurde mir klar, dass ich schon immer so gewesen war. Mir fiel ein, dass mich Mr. von der Vliet sehr angetörnt und wie es mich gereizt hatte, ihm während der Musikstunden körperlich nahe zu kommen, obwohl er nun wirklich kein gutaussehender Mann war. Wie sehr es mich erregt hatte, als mir mein Schwimmtrainer sagte, er habe sehen wollen, wie lange ich weiterschwimme, wenn er mich nicht zum Aufhören auffordere. Wie sehr es mich in Erregung versetzt hatte, als mir der Kerkermeister im Fetischclub den Hintern versohlte.
Was hatte das alles zu bedeuten?
Ich legte mich auf mein Bett und schob all diese Gedanken beiseite. Schließlich fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Ich war noch immer unruhig, als ich am Abend aufwachte. Und immer noch geil. Sosehr ich mich auch bemühte, das Gefühl zu ignorieren, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Selbst dass ich noch einmal an mir herumspielt hatte, änderte nichts an meiner Unausgefülltheit.
Ich dachte an Dominiks gebieterischen Ton, die Souveränität, mit der er mir seine präzisen Anweisungen erteilt hatte. Es hatte mich schon angemacht, als er mir nur die Adresse der Krypta gab. Am liebsten hätte ich ihn angerufen, gab den Gedanken aber gleich wieder auf. Was hätte ich ihm erzählen sollen?
Bitte, Dominik, sag mir, was ich tun soll?
Nein. Die Vorstellung war lächerlich, außerdem musste ich darauf achten, die Oberhand zu behalten, und durfte ihm nicht zeigen, dass er meinen schwachen Punkt getroffen hatte. Die in seinen Augen aufflackernde Begierde hatte mir verraten, dass er wieder anrufen würde; irgendwann würde es ihn packen, und er würde mit einem neuen Szenario aufwarten. Und obwohl es mich ein bisschen fuchste, ihm immer einen Schritt hinterher zu sein, würde es mich freuen, wenn es so weit war.
Vorerst musste ich andere Mittel und Wege finden, um diese mir bislang unbekannten Gelüste zu stillen.
Wieder einmal überlegte ich, ob ich Charlotte anrufen sollte, verwarf aber den Gedanken. Ich war noch nicht bereit, ihr diesen Teil meines Lebens preiszugeben.
Blieb der Fetischclub. So verrückt es klang, vielleicht sollte ich allein hinfahren und mir alles noch einmal genauer anschauen. Was war nur in mich gefahren, dass ich plötzlich so viel Wagemut zeigte? Einerseits fand ich es erschreckend, andererseits aber auch aufregend. Wenn es nicht lief wie erwartet, konnte ich immer noch heimgehen.
Eigentlich hatte ich mich dort sicher gefühlt, im Gegensatz zu den Kneipen im West End, wo es, obwohl ich gut auf mich aufpassen konnte, oft ziemlich nervig war. Dort trieben sich immer ganze Horden besoffener Typen rum, die jede Frau begrapschen wollten, die auch nur ein paar Schritte allein machte, selbst wenn sie zur Toilette ging.
Die Gäste des Fetischclubs hingegen hatten sich durchweg respektvoll gezeigt, trotz der dort herrschenden Freizügigkeit, oder gerade deshalb.
Ja, ich konnte dort bedenkenlos allein hingehen.
Eine kurze Google-Recherche ergab, dass der Club, in dem ich mit Charlotte gewesen war, nur jeden ersten Samstag im Monat geöffnet war, also nicht an diesem
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