80 Days - Die Farbe der Lust
könnte. Angesichts meiner chronisch schlechten Finanzlage hatte ich von Europa noch nicht annähernd so viel gesehen, wie ich es mir wünschte.
Dominik unterbrach meine Träumereien mit einem freundlichen Hüsteln. »Vielen Dank«, sagte er. Statt einer Antwort nickte ich nur.
»Du kannst jetzt gehen. Ich würde dich ja hinausbegleiten, aber ich muss mich noch von deinen Kollegen verabschieden und ihre Bezahlung regeln. Du schaffst es doch auch allein bis zum sicheren Ausgang, oder?«
»Natürlich.«
Mit gespielter Nonchalance schlängelte ich mich wieder in mein Kleid. Auf Dominiks Anspielung mit dem sicheren Ausgang ging ich nicht weiter ein.
Vielleicht hatte er ja irgendwie mitbekommen, dass ich auf dem Hinweg beinahe die Treppe hinuntergestürzt war.
»Vielen Dank!«, sagte ich zu den drei Musikern, die mich begleitet hatten und noch immer in Erwartung von Dominiks Anweisungen mit ihren Augenbinden dasaßen. Zweifellos hatte er ihnen zuvor ganz konkrete Instruktionen zu ihrem Verhalten und zum Ablauf des Nachmittags gegeben.
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, auf welche Weise er sie zum Mitmachen bewegt hatte. Worin bestand seine Macht über andere Menschen? Was hatte er an sich, dass sie sich in seine Hand begaben? Das betraf vor allem die Frau.
Lauralynn wirkte auf mich nicht gerade unterwürfig. Ganz im Gegenteil.
Mir war aufgefallen, dass sich ihre Schenkel eng um das Cello geschmiegt hatten, und obwohl ihr Griff um seinen Hals anfangs noch recht sanft aussah, war ihr Spiel von wilder Kraft gewesen, als würde sie dem Instrument die Tonfolgen gegen seinen Willen entringen.
Erneut trat das mokante Lächeln auf ihr Gesicht, während sie den Kopf in meine Richtung wandte. Diesmal war ich sicher, dass sie entweder in das Spiel eingeweiht war oder durch ihre Augenbinde hindurchsehen konnte.
Ich nahm meinen Geigenkasten und ging mit gespielter Gleichgültigkeit auf den Ausgang zu. Jetzt hatten wir beide unseren Teil der Abmachung erfüllt: Ich hatte meine Geige bekommen und Dominik sein nacktes Konzert. Hinter der Tür, die zur Treppe von der Krypta nach oben führte, blieb ich stehen und lehnte mich an die kühle Steinwand, um meine Gedanken zu ordnen.
War damit wirklich schon alles erledigt? Ich hätte mich eigentlich freuen müssen, doch ich empfand nur ein leises, aber deutliches Bedauern. Reichte mein Beitrag aus als Gegenleistung für die Bailly? Hast einen guten Schnitt gemacht, würde Charlotte sagen. Ich hingegen fühlte mich irgendwie leer.
Ich holte tief Luft, dann eilte ich die Stufen hinauf, ohne mich noch einmal umzusehen.
Als ich in meiner Wohnung in Whitechapel ankam, stellte ich mit riesiger Erleichterung fest, dass Flur und Gemeinschaftsbad leer waren. Gut! Meine Nachbarn waren ausgeflogen. Ich konnte also ohne Geplauder und ohne befürchten zu müssen, jemand könnte mir etwas ansehen, in mein Schlafzimmer verschwinden, um mich der fast schon schmerzhaft pochenden Erregung zu widmen, die mich den ganzen Heimweg verwirrt hatte.
Kaum hatte ich die Zimmertür mit einem Fußtritt zugeworfen, hatte ich auch schon die Hand zwischen den Beinen. Ich steckte den Zeigefinger in mich hinein, um ihn mit meinem Saft zu befeuchten, dann ließ ich die Fingerspitze rasch kreisen. Mein Blick fiel auf das Notebook, und ich überlegte kurz, ob ich einen Clip von YouPorn laufen lassen sollte, um das Ganze ein bisschen anzuheizen.
Darren hatte es furchtbar gefunden, wenn ich mir Pornos ansah. Einmal hatte er mich mit einem Magazin erwischt, das ich unter seiner Matratze entdeckt hatte, und war den ganzen Abend sauer gewesen. Als ich ihn fragte, weshalb er sich so aufregte, antwortete er, es sei ja bekannt, dass Frauen masturbierten, aber doch nicht so … Ich habe nie herausgefunden, ob da die Eifersucht aus ihm sprach oder ob das einfach nur mit seinem Frauenbild kollidierte. Seit unserer Trennung genoss ich die Freiheit, endlich wieder tun und lassen zu können, was mir gefiel. In meinem jetzigen Zustand würde es bis zum Orgasmus allerdings nicht lange dauern, und die Suche nach einem Clip, der meiner Stimmung entsprach, war mir jetzt viel zu aufwendig. Da spulte ich lieber vor meinem inneren Auge noch einmal die Ereignisse des Nachmittags ab.
Ich spürte wieder, wie meine Nippel hart geworden waren, als die kühle Luft der Krypta sie streifte – oder war es die Reaktion auf Dominiks Blick gewesen? Und Lauralynns? Rasch stieß ich mit der linken Hand den Riegel meines Fensters auf, ohne mit
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