80 Days - Die Farbe der Lust
Dominik allein losgezogen war. Diese Stimme hätte ich überall erkannt. Nie würde ich sie vergessen, ebenso wenig den Rest der damals für mich so neuen Erfahrung.
Und als es mir wie Schuppen von den Augen fiel, huschte auch über sein Gesicht ein Zeichen des Wiedererkennens. Wir wechselten einen längeren Blick, der seinem Kumpan verriet, dass wir uns nicht völlig fremd waren.
»He, warte mal. Ihr kennt euch?«
Er sprach so laut, dass die anderen Gäste verstummten, um zu verfolgen, was sich vor ihnen abspielte, auch wenn sie sich höflich bemühten, nicht herüberzuschauen.
Das Gesicht des Geburtstagskinds färbte sich dunkelrot, und der andere Mann zuckte zusammen. Vielleicht hatte ihm gerade jemand ans Schienbein getreten.
»Rob, halt die Klappe.«
Doch Rob tat genau das Gegenteil. Offenbar machte ihn meine Trotzhaltung wütend.
»Ich hab’s!«, brüllte er und schlug mit seiner fleischigen Hand so heftig auf den Tisch, dass seine Gabel in die Luft hüpfte. »Du bist das Mädel aus diesem durchgeknallten Club, in dem wir mal waren! Hast uns dort deinen hübschen nackten Arsch präsentiert, Baby.«
Er holte aus, um mich zu begrapschen. Doch ehe er mich berühren konnte, wich ich ihm aus und schlug seinen Arm weg. Dabei verhakte sich sein wuchtiger Manschettenknopf in der Tischdecke des Nachbartischs. Als der Mann dann zurückzuckte, riss er die Decke mit sich, sodass die Weinflasche, die darauf stand, umkippte und sich in den Schoß der dort sitzenden Dame ergoss.
Es war Rotwein und, ihrer eleganten Kleidung nach zu urteilen, nicht der billigste. Entsetzt sprang sie auf. Ich nutzte die günstige Gelegenheit, mich zu verdrücken, und begleitete sie zur Toilette, damit sie dort ihr Kleid abtupfen konnte.
Ich versteckte mich so lange wie möglich im Waschraum, und die Frau war sehr nett und verständnisvoll.
»Es war nicht Ihre Schuld«, sagte sie, während sie entnervt an ihrem Oberteil rieb. »Ich kenne diesen Kerl von der Arbeit. Ein totales Arschloch.«
Hoppla, also doch nicht so vornehm, dachte ich, und betrachtete die Dame genauer.
Mein Chef war schon auf dem Weg zu ihrem Tisch gewesen, als ich in die Toilette stürmte, und sicher würde er die Situation jetzt im Griff haben, aber wahrscheinlich nach dem Grundsatz: »Der Kunde hat immer recht.« Zumindest würde er den Wein von der Rechnung der geschädigten Dame streichen müssen und womöglich auch das Essen, eine Einbuße, die sich leicht im Bereich von mehreren hundert Pfund bewegen konnte.
Keine Ahnung, wie ich mich da herausreden sollte.
Als ich mich endlich hinauswagte, um mich dem Donnerwetter zu stellen, brachen die Männer gerade auf. Rob wirkte sehr zufrieden mit sich, und mein Geschäftsführer biss höflich die Zähne zusammen, während er innerlich kochte.
»Summer«, sagte er, kaum dass sie das Lokal verlassen hatten, »komm bitte mit.« Er deutete auf den Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter.
»Hör zu«, sagte er dort, »was du in deinem Privatleben machst, geht mich nichts an, und ich weiß, dass dieser Kerl ein Arschloch war …« Ich machte den Mund auf, um mich zu verteidigen, aber er hob abwehrend die Hand. »Wenn jedoch dein Privatleben öffentlich wird, und das in meinem Restaurant, dann geht es mich sehr wohl etwas an. Ich kann dich hier nicht weiter beschäftigen, Summer.«
»Aber es war nicht meine Schuld! Er hat versucht, mich anzugrapschen. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?«
»Tja, wenn du … ähm … ein bisschen diskreter gewesen wärst, wäre das sicher nicht passiert.«
»Was meinst du mit ›diskreter‹?«
»Wie gesagt, Summer, was du außerhalb der Arbeitszeit treibst, ist deine Sache, nicht meine. Aber pass bitte auf dich auf, ja? Du kriegst sonst noch die größten Probleme.«
»Ist denn meinen Job zu verlieren nicht schon Problem genug?«
»Es tut mir wirklich leid.«
Ich nahm meine Tasche und ging schnurstracks zur Tür hinaus.
Verdammt! Dieser verfluchte Bastard, der seine dreckigen Hände nicht bei sich behalten konnte. Jetzt saß ich wirklich in der Tinte. Ich war bereits mit der Miete im Rückstand, und da das Zimmer supergünstig war, wollte ich meinem Vermieter keinen weiteren Grund liefern, mich rauszuschmeißen. Auflaufende Mietschulden konnten der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Scheiße.
Chris konnte ich nicht anrufen, denn dann hätte ich ihm erzählen müssen, was geschehen war, und er hätte wieder einmal Gelegenheit gehabt, meinen
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