80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Name und Aussehen sicher bekannt waren.
Das Gebäude lag im Zentrum des Viertels. Im Erdgeschoss befand sich ein gut besuchtes Restaurant, vor dem Leute Schlange standen in der Hoffnung, jemand könnte seine Reservierung storniert haben, sodass sie doch noch einen Tisch ergattern würden. Links vom Restauranteingang war eine weitere Tür, an der ein Schild den Weg zu den Nebenräumen wies. Das gesamte Obergeschoss war für eine geschlossene Gesellschaft, also für uns, reserviert.
Ich drückte die Türklingel, und nach kurzer Zeit wurde uns aufgemacht.
Der Security-Mann, ein Hüne, der sich in seinem schlecht geschnittenen Smoking nicht sonderlich wohlzufühlen schien, wünschte uns einen guten Abend und hakte unsere Namen auf einer Liste ab. Auf seinem kahl geschorenen Schädel spiegelte sich das Licht der einsamen Glühbirne, die den schmalen Eingang erhellte. Von dort führte ein langer Gang zu einer Holztreppe. Obwohl der Mann nichts sagte und uns nur mit dem Kinn den Weg wies, war ich mir sicher, dass er Russe war. Unser Kunde hatte seine eigenen Bodyguards rund um die Uhr, offenbar wollte er sich nicht auf örtliche Sicherheitskräfte verlassen.
Als wir uns an ihm vorbeigeschoben hatten und zur Treppe gingen, spürte ich seinen Blick im Rücken. Aber vielleicht hatte es ihm auch Summers wilde rote Lockenpracht angetan. Blondinen sind in Russland keine Seltenheit, Rothaarige hingegen schon.
Mir war aufgefallen, dass unsere Namen auf einem eigenen Bogen seiner Liste gestanden hatten. Nur wir drei. Die Künstler.
Noch auf der Treppe hörten wir, dass wieder die Türklingel ging. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass der Hüne ein Paar in mittlerem Alter in pompöser Abendgarderobe einließ, nachdem er ihre Namen auf der Liste gefunden hatte. Das waren Gäste.
Im zweiten und obersten Stock wurden wir von einer jungen Irin mit pechschwarzem Haar empfangen. Sie war wie eine Südstaatenlady in eine Krinoline gekleidet, etwas unpassend für diesen Anlass, aber es stand ihr gut zu ihrer blassen Haut und ihren grünen Augen.
»Ich führe Sie durch den heutigen Abend«, sagte sie. »Seien Sie willkommen.«
»Wir sind die Künstler«, machte Summer ihr klar.
»Ich weiß, Miss Zahova. Wir empfinden es als große Ehre, dass Sie heute für uns auftreten. Ich bin eine glühende Verehrerin von Ihnen, und als ich von Oleg erfahren habe, dass Sie … dabei sein würden, habe ich mich riesig gefreut.« Die junge Frau schaute zu Chey und mir. »Welch ein wunderbares Geschenk, das Sie Ihren Freunden mit diesem Auftritt machen. So unerwartet.«
Summer antwortete mit einem gezwungenen Lächeln.
»Wo können wir uns umziehen und … herrichten?«, erkundigte sie sich. Ich fragte mich, ob die Irin auf der Gehaltsliste des Oligarchen stand oder nur für diesen Abend angeheuert war. Ob sie wohl wusste, für welche Art von Darbietung wir gekommen waren?
»Hier entlang.« Sie führte uns in einen großen unmöblierten Raum, in dem Esstische und Stühle in einer Ecke aufeinandergestapelt waren. In der Mitte hatte man für uns einen großen Spiegel und einen Tisch aufgestellt.
»Es ist sicher nicht ideal«, meinte die Frau. »Aber es war nicht ganz einfach, so kurzfristig noch geeignete Räumlichkeiten zu finden.«
»Wir kommen zurecht«, sagte ich.
»Gut. Dann überlasse ich Sie Ihren Vorbereitungen. Ich schaue gleich noch mal vorbei und bringe Ihnen, wie vereinbart, die Umschläge. Sie sind um Viertel nach an der Reihe, nicht wahr?«
Ich atmete erleichtert auf, als sie hinausgegangen war. Ihre unvorstellbar hohen Absätze klapperten über das Parkett des Raums, der uns jetzt als Garderobe diente.
Wir drei sahen uns an.
Chey und ich würden zunächst in schlichten Kostümen auf die Bühne treten. Ich in einem weißen, halb durchsichtigen, bodenlangen Seidengewand und barfuß. Für Chey hatten wir eine schwarze Torerohose und ein locker geschnittenes, weißes Hemd mit weiten, gebauschten Ärmeln besorgt. Anfangs hatte er protestiert, doch als wir nichts Besseres fanden, hatte er sich geschlagen gegeben.
Summer schlüpfte aus ihren Jeans. Da sie keinen Slip trug, war ihr flammend rotes Schamhaar zu sehen. Ich warf einen Blick zu Chey, der sie beobachtete, und ich spürte, dass er trotz der Anspannung ihre wilde Schönheit bewunderte. Ich hatte sie schon in New Orleans bei ihrem gewagten Nacktauftritt gesehen und wusste, dass sie diese Art von Exhibitionismus liebte. Doch an diesem Abend würde ich zum ersten Mal erleben,
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