80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
irgendwelchen billigen Klettverschlüssen behalf und damit wie ein gewöhnlicher Stripper bei einem Junggesellinnenabschied aussah. Aber wir konnten auch nicht riskieren, dass ihm die Torerohose noch um die Knöchel schlackerte, während der Tanz schon weiterging. Es wollte uns einfach nichts einfallen, wie er sich ausziehen konnte, ohne dabei lächerlich zu wirken.
Und darum blieb ich einige Sekunden allein im hellen, heißen Scheinwerferlicht und wirbelte rhythmisch herum, während Chey sich im Schutz der Dunkelheit am Rand der Bühne die Kleider vom Leib riss. Ich sorgte dafür, dass wirklich alle Augen auf mich gerichtet waren und niemand zu Chey sah. Ich tanzte, wie ich noch nie zuvor getanzt hatte, und bog meine Glieder in jede nur denkbare erotische Position.
Offensichtlich hatte Viggo Leute seiner vertrauenswürdigen Bühnencrew eingeschleust, denn anders war es nicht zu erklären, dass die Beleuchtung einige Augenblicke besonders schwach wurde und ich aus dem Lichtkreis heraus bis ins Publikum sehen konnte.
Zwar war alles hinter den ersten Reihen verschwommen, doch ich war sicher, dort Bewegungen auszumachen. Kauernde Gestalten steckten flüsternd die Köpfe zusammen. Handy-Displays leuchteten auf und zeigten, dass telefoniert wurde. Leise, schnelle Schritte, jemand rannte einen Gang entlang. Unsere irische Empfangsdame eilte hin und her, ihre Stilettoabsätze klackerten im Stakkato auf dem Steinboden.
Die Russen mussten Wind von unserem Plan bekommen haben. Es konnte gar nicht anders sein. Noch das leiseste Geräusch, die kleinste Bewegung wirkten auf mich wie ein Peitschenschlag. Ich fühlte mich ein wenig seltsam – als wollten meine Glieder mir nicht mehr gehorchen, und Nebel legte sich über mein Hirn. Der Schock, dachte ich, oder die Nervenanspannung. Aber ich zwang mich weiterzutanzen, obwohl der Raum seitlich wegkippte. Ein Schrei stieg in meiner Kehle auf, doch ich drängte ihn zurück und tanzte weiter, als hinge mein Leben davon ab. Denn das tat es heute Abend wirklich, und Cheys Leben auch.
Das Bühnenlicht wurde wieder einige Nuancen heller, und Chey kehrte in die Mitte zurück, wo wir beide so gnadenlos ausgeleuchtet wurden wie von einer Wüstensonne. Er war splitternackt und wunderschön. Seine Bauchmuskeln liefen V-förmig auf sein Becken zu. Sein Schwanz war steif und zeigte wie ein Pfeil auf mein Geschlecht. Das unrasierte, schwarz schimmernde Schamhaar wucherte üppig und wild. In diesem Augenblick vergaß ich, warum wir hier waren, fiel auf die Knie, als wollte ich ihn anbeten, und nahm seinen Penis so ehrfürchtig zwischen die Lippen wie eine Nonne die Hostie.
Das gehörte nicht zur Nummer. Ich war von der strikten, sorgfältig mit Viggo abgestimmten Choreografie abgewichen, um mein Verlangen zu befriedigen. Denn nichts begehrte ich mehr, als die seidige Haut seines Schwanzes auf meiner feuchten Zunge zu spüren.
Chey hockte sich vor mich und fasste mich am Kinn. Dann drückte er seine Lippen auf meine.
Ich bekam nicht einmal mit, dass er mir die Pistole an die Schläfe setzte und abdrückte.
»Tut mir leid, Luba. Es muss sein«, flüsterte er zärtlich und sehr leise. Seine Worte waren nur für meine Ohren bestimmt.
Summer schrie auf.
Mir wurde schwarz vor Augen.
Ich stürzte zu Boden und nahm das Geplapper um mich herum kaum mehr wahr. Ebenso wenig den zweiten Schuss. Einen lauten Aufprall. Wieder ein Schrei. Ein Mann im Publikum rief: »Ich bin Arzt. Ich bin Arzt.« Dominiks Stimme. Hastige Schritte. Die Stimme unserer irischen Empfangsdame drang wie durch einen Tunnel zu mir. »Luba, Luba, Luba.« Dann: »Sie ist tot. O mein Gott, sie ist wirklich tot.«
Ein Fremder legte mir die Hand an die Kehle.
»Kein Puls mehr«, sagte jemand.
»Meine Güte, so viel Blut!«
Es öffnete sich keine Falltür im Bühnenboden, womit ich halb gerechnet hatte. Wo blieben Viggos Helfer? Warum brachte man uns nicht weg?
Und wo war Chey?
»Der ist hin.«
»Jagt sich einfach eine Kugel in den Kopf.«
»Und ihr auch.«
Russisches, unverständliches Geplapper. Worte summten um mich herum wie Kolibris, leise, schnell, unmöglich einzufangen. Ich wollte den Arm heben, um eines zu erhaschen, aber meine Glieder gehorchten mir nicht.
Lubow Schewschenko, Lubow Schewschenko, du meine Liebe, mein Leben, meine Tänzerin.
In meinen Ohren brauste ein Sturm, ein Gedanken- und Bilderwirbel tobte in meinem Kopf. Egal, wie angestrengt ich auch versuchte, mich auf die Umgebung zu konzentrieren für
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