80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
als wollte er die zuständigen Leute bestechen, damit es so aussah, als hätte der Fluggast gültige Papiere. Sowohl bei der Aus- als auch bei der Wiedereinreise.
Auf diese Weise erfuhr ich unvermutet, dass Chey zu den Reichen und Mächtigen gehörte und über großen Einfluss verfügte, womit ich nach unseren Verabredungen nicht gerechnet hatte.
Natürlich hätte mir das den ersten Hinweis geben müssen, dass seine Rolle im Bernsteingeschäft nicht ganz so unbedeutend und gesetzestreu war, wie ich es angenommen hatte. Aber ich war in einer Welt groß geworden, in der der Schwarzmarkt ganz normal war und wo es einfach dazugehörte, die Polizei zu bestechen. Cheys Umgang mit Geld war so unauffällig, dass man leicht übersah, wie vermögend er war. Im Alltag zeigte er es kaum, er kleidete sich zwar gut, aber dezent, und protzte bei unseren Rendezvous auch nicht mit unangemessenem Aufwand. Doch wenn er seinen Reichtum verbarg, weil er ihn als selbstverständlich ansah, konnte ich ihm das schwerlich zum Vorwurf machen. Oder ihn gar fragen, wie er zu dem vielen Geld gekommen war. Vielleicht hatte er ja geerbt, erfolgreich investiert oder sogar im Lotto gewonnen. Ganz gleich, er hatte mir hinsichtlich seiner finanziellen Situation nie etwas vorgemacht, und wenn sich jetzt herausstellte, dass er wohlhabender war, als ich gedacht hatte, war das schließlich keine schlechte Neuigkeit für mich.
Natürlich wollte ich mir einen Karibik-Urlaub nicht entgehen lassen. Sollte ich keine Green Card ergattern oder mich nicht entschließen, den Vereinigten Staaten für immer den Rücken zu kehren, würde sich mir so eine Chance nie wieder bieten.
Also nahm ich seine Einladung an und flog mit nur leichtem Gepäck nach La Romana. Einen Teil meiner mageren Ersparnisse hatte ich für einen Bikini – ein winziges Nichts aus goldenem Stoff, der im Licht glitzerte – und hohe Keilsandalen ausgegeben. Außerdem lagen ein Baumwollkleid, ein Rock und die weiße Bluse in der Reisetasche. Sollte das für die noblen Schuppen, in die er mich vielleicht ausführen wollte, nicht reichen, müsste er mich eben passend einkleiden.
Am Flughafen erwartete mich ein Chauffeur. Chey war offenbar bei einer geschäftlichen Besprechung und hatte nicht selbst kommen können. Ich saß im Fond der Limousine und genoss die warme Brise, die mir durch das offene Fenster über die Haut strich und den süßlichen Geruch aus den Zuckerfabriken mit sich trug. Wir fuhren auf breiten, von Palmen gesäumten Straßen zu seiner Privatvilla im Resort, die so riesig war, dass ich die weißen, luftigen Steingebäude mit den strohgedeckten Dächern im ersten Moment für die gesamte Hotelanlage hielt, in der wir vielleicht ein Zimmer hatten. Aber wie mir der Fahrer erklärte, stand das alles Chey und mir ganz allein zur Verfügung, zumindest in den nächsten Tagen.
Ein Zimmermädchen mit Rüschenschürze führte mich schweigend nach oben in einen riesigen Raum mit Blick auf den zur Villa gehörenden, scheinbar endlosen Privatstrand aus goldenem Sand. Ich warf meine Tasche auf das riesige Bett und bewunderte kurz das Ambiente.
Der Boden war aus glänzend poliertem Marmor, und die Balkone boten zur einen Seite einen herrlichen Blick auf das glitzernde Meer und zur anderen auf einen ovalen Pool. Ich war noch nie in einer so luxuriösen Umgebung gewesen und hatte fast das Gefühl, nicht hierher zu gehören. Die Einrichtung war elegant, aber nicht protzig, sie sprach für Geld und Geschmack.
In einem der großen Badezimmer schlüpfte ich aus meinen Kleidern und genoss dabei die kühlen Fliesen unter meinen Füßen. Ich wusch mir den Staub von der Reise ab, zog den Bikini an und ging hinunter zum Pool, wo ich bei einem Barkeeper, der exakt in diesem Moment wie aus dem Nichts erschien, einen tropischen Cocktail bestellte. Mit dem Glas in der Hand zog ich mein Buch aus der Tasche und machte es mir am Pool bequem, um dort auf Chey zu warten. Derweil staunte ich über die wundersamen Wechselfälle des Lebens, die ein Mädchen aus Donezk an einen Ort wie diesen verschlagen konnten.
Chey erschien, als die Sonne unterging: Die riesige orangefarbene Kugel streckte ihre Lichtfinger in den Himmel, als wollte sie sich dort festkrallen. Ihre Farben von Pink bis Orangerot – wie die Mango, mit der mein Cocktail garniert gewesen war – glühten prachtvoll über dem Tiefblau des Meeres.
Ich hatte Chey nicht kommen sehen, aber sogleich seine Wärme gespürt, als er sich auf die Armlehne
Weitere Kostenlose Bücher