80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
ich, obwohl ich bereits ahnte, dass es sich nicht um das Lincoln Center oder das New York City Ballet handelte.
Er machte mir einen Vorschlag.
Anfangs war ich skeptisch.
»Und du weißt ganz bestimmt nicht, wann Chey zurückkommt?« Noch immer hoffte ich, dass es Alternativen zu seiner Offerte gab. Denn wie sollte ich nackt für andere Männer tanzen, wenn ich doch aus tiefstem Herzen wusste, dass ich nur für Chey tanzen wollte?
»Nein, das kann man nie wissen. Geschäfte, du verstehst.«
»Dann bring mich hin.«
Der Club, mit Eisengittern, graffitibeschmierter Fassade und einer ausgeblichenen rosafarbenen Markise, hieß Tender Heart und lag am nördlichen Ende der Bowery, fast schon bei der Lafayette Street. Wie ich später erfuhr, war er in den glorreichen Zeiten des Punk mal ein bekannter Rockschuppen gewesen. In die Wände im Souterrain war mehrere Generationen lang alkoholdurchsetzter Schweiß eingesickert, und ich musste mich beinahe übergeben, als Lev mich durch das enge Foyer zu den hinten gelegenen Büroräumen führte.
»Wenn ab Spätnachmittag die Klimaanlage für die Gäste angestellt wird, ist es besser«, redete er mir zu. »Barry, der den Laden hier schmeißt, ist ein echter Geizkragen. Er schaltet sie immer ab, wenn geschlossen ist.«
Barry war ein kleiner Brite mit altmodischem, schmierigem Bart und schütterem Haar. Und egal, worum ein Gespräch sich drehte, stets fand er Gelegenheit, alle paar Minuten einfließen zu lassen, dass er aus Liverpool stamme. Auch wenn er keinem der Beatles ähnelte.
Auf seinem klapprigen Schreibtisch, der mehr als nur einen Weltkrieg überstanden hatte, türmten sich unordentlich die Geschäftsbücher. Wahrscheinlich war er nur ein besserer Buchhalter, ich entdeckte allerdings keinen Hinweis darauf, wem der Laden wirklich gehörte. Kurz hatte ich Chey im Verdacht, aber dazu war das Ganze zu heruntergekommen und hatte zu wenig Klasse.
Lev hatte Barry schon vorab informiert.
»Du bist also die Kleine von Chey?« Er grinste.
»Ich bin keine ›Kleine‹, ich bin eine Frau«, erwiderte ich. »Ich habe lang genug darauf gewartet, eine zu werden, deshalb lege ich jetzt ziemlich großen Wert darauf, auch so genannt zu werden. Und ich gehöre niemandem.«
»Auch noch kratzbürstig«, feixte er. Wahrscheinlich glaubte er, sein Lächeln wirke spöttisch.
»Ja, in Russland lernen wir Frauen, uns zu wehren«, sagte ich mit absichtlich übertriebenem Akzent.
Er taxierte mich von oben bis unten wie ein Metzger ein Stück Fleisch.
»Unser gemeinsamer Freund hat dir gesagt, worum es hier geht?«
»Ja.«
»Du tanzt?«
»Früher mal. Allerdings nicht so.«
»Ist das ein Problem für dich?«
»Nein.«
Barry warf Lev einen Blick zu, und der fette russische Handlanger schlich aus dem engen Büro.
»Ich will dich sehen«, verlangte Barry.
»Mich sehen?«
»Ja, deinen Körper. Nackt. Bei so einem Job ist das …«, er suchte nach dem richtigen Wort, »… erforderlich, verstehst du? Die Gäste wollen was geboten bekommen.«
»Okay.« Ich nickte.
Er lehnte sich im Ledersessel zurück und glotzte mich an.
Ich zog mich aus.
Sein Blick wanderte Quadratzentimeter für Quadratzentimeter über meine Haut; fast wie ein Gerichtsmediziner nahm er ein Körperteil nach dem anderen, Region für Region, abwägend und urteilend unter die Lupe.
Ich stand ihm gegenüber und spürte die drückende Hitze im Raum, die aus dem Publikumsbereich unter der Tür hindurchkroch. Die Beine hatte ich nur ganz leicht geöffnet, um während der Prüfung wenigstens ein Minimum an Anstand und Eleganz zu wahren.
»Ganz hübsch«, stellte er schließlich fest.
Ich schlug die Augen nieder.
»Die Brüste sind etwas klein, aber echt, dazu hoch und fest. Das ist gut. Tänzerinnenbeine, dünn, aber durchtrainiert. Dreh dich um«, verlangte er.
Ich gehorchte.
»Reizender Arsch. Ein echter Hingucker«, tat er kund. »Jetzt dreh dich wieder zu mir.«
Erneut musterte er mich von oben bis unten, sein Blick blieb an meinem Schritt hängen.
»Das muss weg«, sagte er.
Verblüfft sah ich an mir hinunter.
»Die ganzen Haare da«, erklärte er. »Hübsche Farbe, passend zum Kopfhaar. Ist selten heutzutage, dass man echtes Blond sieht. Wird sonst immer gebleicht. In anderen Etablissements färben manche Mädchen sogar ihr Schamhaar, aber ich finde, das sieht so künstlich aus. Auch wenn ein paar Kunden darauf abfahren. Aber wir hier legen Wert darauf, dass die Tänzerinnen glatt sind …«
Vielleicht
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