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80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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Tänzerin zu sehen. War ich nicht eine Nymphe, ein Geschöpf der Nacht, ein Wesen aus Feuer, die lebendig gewordene Verheißung von Sex? Manchmal fragte ich mich sogar, ob ich wirklich existierte oder nur die Traumgestalt eines anderen war – eines Teenagers mit überbordender Fantasie vielleicht.
    Allerdings wurde ich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als mir Madame Denoux meinen ersten Auftrag bestätigte, in London. Jemand dort hatte das Ballettmeister-Szenario gebucht. Ich würde also von New Orleans nicht nach Paris oder Mailand oder in eine dieser anderen Städte voller Glamour reisen, die in meiner Vorstellung faszinierend und geheimnisvoll waren. London war grau, das wusste ich. Nun, ich war fest entschlossen, etwas Farbe dorthin zu bringen.

6 SOLOTANZ
    Beim Landeanflug auf den Londoner Flughafen Heathrow regnete es.
    So wie es bei meinem Abflug in Seattle geregnet hatte, und fast jeden Tag der acht Wochen während meiner Ausbildung bei Pleasure Network.
    Ich fand es gut, dass das Wetter in beiden Städten gleich schlecht war.
    Ich lehnte mich in meinen weich gepolsterten Sitz zurück – Business Class natürlich – und blickte aus dem kleinen Fenster auf London, das unter einem dünnen Nebelschleier lag und immer näher kam. Die Hochhäuser waren nicht so gewaltig und gleichförmig wie die von New York, jedenfalls sah es aus dieser Höhe so aus. Das lange, silbrige Band der Themse zerschnitt die Stadt in zwei Hälften. Ich konnte nur eine einzige der vielen Sehenswürdigkeiten ausmachen, die mich hier erwarteten: Das London Eye lugte strahlend weiß und etwas keck aus dem ansonsten düsteren Häusermeer im Stadtzentrum heraus. Merkwürdiges Gebilde, dachte ich. Wie war eine ansonsten nüchterne Stadt bloß darauf verfallen, sich als eine ihrer Hauptattraktionen so ein Ding zuzulegen, das viel besser in einen Vergnügungspark oder nach Coney Island gepasst hätte? In St. Petersburg wäre so etwas undenkbar gewesen.
    »Zum ersten Mal in London?«, fragte die Frau neben mir in selbstbewusstem Tonfall. Ich konnte nicht einschätzen, woher sie stammen mochte. Sie trug eine cremefarbene Seidenbluse, die fast bis zum Hals zugeknöpft war, und an den vornehm übereinander gekreuzten Füßen hellbraune Slipper. Ihr Duft verströmte eine deutliche Note von Tabak und Zitronenschale.
    »Ja. Ich hatte noch keine richtige Gelegenheit, mir Europa anzuschauen.«
    »Es wird Ihnen gefallen«, sagte sie mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete.
    Sie las in einem kleinen Buch, das in schwarzes Nappaleder gebunden und mit einem hellblauen Seidenbändchen versehen war. Ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt und streichelt. Während das Flugzeug durch leichte Turbulenzen weiter absank, lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Ich beugte mich vor, um den Titel zu entziffern: Scarlett’s Allsorts, Erotische Erzählungen , prangte in golden Lettern einer altmodischen Schrift auf dem Buchrücken. Die Frau erwachte und setzte ihre Lektüre fort. Ich konnte nur eine einzige Zeile erhaschen: Mir war, als würde mein ganzer Körper jubilieren. Ich musste lächeln.
    Dieser Satz setzte in meinem Kopf viele unausgegorene Gedanken und wirre Bilder frei, die ähnlich einem Vogelschwarm, der durch einen Steinwurf erschreckt wurde, aufflatterten. Wie sah die Frau wohl nackt aus? Welche Art von Dessous mochte sie tragen? Nichts Mädchenhaftes, nahm ich an. Auch nichts Altmodisches. Schlicht, klassisch, von guter Qualität und in unprätentiösem Schwarz, Creme oder Beige, vielleicht mit einem etwas knappen Höschen.
    Die Frau stand auf und angelte sich ihre Handtasche aus der Gepäckablage. Es war ein schlichtes, rechteckiges Teil mit einem soliden Reißverschluss, mehr in der Art einer Aktenmappe. Sie ließ das Buch in ein Seitenfach gleiten. Ihre gut geschnittene Hose schmiegte sich eng um ihre Hüften und unterstrich ihren sportlichen Körperbau, der außer der Wölbung ihres Busens fast nichts Weibliches aufwies. Ihr Haar war silbergrau und zu einem strengen Bob geschnitten. Ein paar aufmüpfige Haarsträhnen hatte sie hinter die Ohren gestrichen, sodass ich ihre runden Ohrläppchen sehen konnte, die jeweils eine kleine Perle zierte. Ich schätzte sie in den Vierzigern, möglicherweise war sie auch schon fünfzig. Schwer zu sagen.
    »Ist das Ihre?«, fragte sie und hielt mir meine schwarze Umhängetasche hin. Ich nickte, und sie reichte sie mir.
    Im Gang stand ich hinter ihr und konnte ihre langen

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