80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
das Netzwerk aufzutreten, werden sie uns mit Sicherheit neue Papiere für dich beschaffen«, sagte ich.
Er senkte den Kopf.
»Gibt es denn keine andere Möglichkeit?«, flüsterte er, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Nein.«
Er nahm mich in die Arme und drückte mich fest an sich.
»Okay«, meinte er. »Aber lass mich dein Tanzpartner sein. Du kannst mich trainieren und mir alles beibringen.«
Wir küssten uns.
»Der Kunde auf der Jacht in Sitges war von deiner Darbietung ganz hingerissen«, berichtete mir Madame Denoux. »Seitdem liegt er mir in den Ohren, wann er dich für einen nächsten Auftritt buchen kann. Du hast Glück!«
»Das freut mich.« In Wahrheit aber war ich eher erleichtert. Ich hatte schon befürchtet, in Vergessenheit geraten und von neuen Tänzerinnen abgelöst worden zu sein, da ich mich seit vielen Monaten vom Netzwerk zurückgezogen hatte und dort nicht mehr im Katalog geführt wurde.
»Als er von deinem Vorschlag hörte, eine Abschiedsvorstellung am Silvesterabend, gewissermaßen deinen Schwanengesang, zu geben, war er absolut hingerissen. Und er ist in der Lage, für die Umsetzung zu sorgen.«
»Hat er denn all meinen Bedingungen zugestimmt?«
»Ja. Bezahlung in bar und am selben Abend, abzüglich unserer Vermittlungsgebühr und der Kosten für die von dir gewünschten Papiere, versteht sich. Du wählst das Musikstück und den Partner aus. Der Kunde ist übrigens Russe, wie du bestimmt schon erraten hast, also ein Landsmann von dir …«
»Nicht ganz. Ich komme aus der Ukraine.«
»Ach so.« Ich sah regelrecht vor mir, dass sie am anderen Ende der Leitung in New Orleans die Stirn runzelte.
Die Leute warfen uns immer in einen Topf. Ich war wegen meiner Eltern mit dem Russischen und Ukrainischen aufgewachsen. Das sind zwei verschiedene Sprachen, zwei verschiedene Kulturen. Im Lauf der Jahre war ich es allerdings müde geworden, die Leute aus dem Westen ständig zu korrigieren, die diesen üblichen Fehler machten.
»Was soll’s? Er ist der Kunde. Wen interessiert da schon seine Nationalität? Er zahlt, und er zahlt gut. Wir haben ihm versichert, dass er eine wirklich außergewöhnliche Show erwarten darf.«
»Aber sicher«, bestätigte ich hastig. Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Vorstellung, wie ich meinen Auftritt mit Chey gestalten wollte. Die drei Szenarien, die ich mit meinen professionellen Partnern getanzt hatte, waren recht ausgefeilt und erforderten intensive Vorbereitung und Proben. Es war eher unwahrscheinlich, dass ich Chey rechtzeitig alle Schritte, geschweige denn die Feinheiten der Bewegungsabfolgen beibringen konnte. »Und bei meiner Ankunft übergibt mir jemand vom Netzwerk die gewünschten Papiere?«
»Dafür ist gesorgt. Warum willst du die Papiere erst dort ausgehändigt bekommen? Wir können sie doch auch per Kurier zu dir nach London schicken …«
»Ich habe meine Gründe.«
»Der Kunde hat natürlich auch dem von dir gewünschten Datum, dem Silvesterabend, zugestimmt, obwohl bis dahin sehr wenig Zeit bleibt. Deine Bedingungen haben die Verhandlungen nicht gerade einfach gemacht, Luba. Zum Glück hat er einen Wohnsitz in Dublin. Daher kann dein Auftritt entsprechend deiner Forderung tatsächlich auf den Britischen Inseln stattfinden.«
Darauf hatten Chey und ich bestanden, denn wir wollten uns mit seinen derzeitigen Papieren so selten wie möglich den Kontrollen an Flughäfen und anderen Behörden aussetzen.
In Dublin war ich noch nie gewesen, Chey auch nicht. Immerhin hatten wir jetzt unser erstes Ziel erreicht und neue Papiere für ihn organisiert. Da ich mit meinen auf vielen Reisen rund um die Welt nie Schwierigkeiten bekommen hatte, hatte ich keine Bedenken, sie weiterhin zu benutzen.
Weit schwieriger war der zweite Teil unseres Plans. Wohin sollten wir flüchten, ohne eine Spur zu hinterlassen, um den Fängen von Cheys Verfolgern zu entkommen?
Uns blieb nur noch eine Woche, um das Wunder zu vollbringen und dieses Problem zu lösen. Wir klammerten uns an jeden Strohhalm.
»Ich glaube, wir müssen andere um Hilfe bitten«, sagte Chey. »Leute, denen wir vertrauen können. Allein schaffen wir es nicht.«
»Und an wen denkst du?«, fragte ich. Dominik schoss mir durch den Kopf, den ich so anziehend gefunden und an den ich mich in Barcelona schamlos herangemacht hatte. Ihm als Schriftsteller würde vielleicht etwas einfallen. Doch dann erinnerte ich mich, dass sein Roman eng an die Realität angelehnt war. Noch so ein
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