Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
das kannst du mit keiner Welle vergleichen. Mit keiner auf der ganzen Welt. Findest du nicht?“
    Sir Darren beeilte sich zu nicken.
    „Wo sind die Offiziellen? Will mir niemand danken für das, was ich für mein gottverdammtes Vaterland getan habe? Die Libera Nos ist das schnellste Schiff auf dem Ozean, und ich habe sie dazu gemacht. Und wo sind die Mädchen? Ich gebe dir eine Golddublone, wenn du mich zu den Mädchen führst. Ich wette, sie sind schöner geworden, seit ich zum letzten Mal eines gesehen habe. Und wenn nicht, dann werden sie mir schöner vorkommen.“ Fokke stieß ein erstaunlich hohles, kraftloses Wiehern aus. Lachen schien nicht seine Stärke zu sein. Man hätte ein donnerndes Gelächter erwartet.
    Sir Darren warf neugierige Blicke an dem Kapitän vorbei, was beinahe unmöglich war, denn der Mann stand wie eine schmutzige Wand vor ihm, seine zerzauste, stinkende Fratze nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Das Schiff zeigte überall Spuren des Alters, aber keine Zerstörungen. Es war gut in Schuss, allem Anschein nach seetüchtig. Doch Sir Darrens rechte Hand lag auf der Reling und befühlte sie. Das Holz kam ihm morsch vor, so morsch, dass er sich davor fürchtete, kräftig zuzudrücken. Die Schatten von Seeleuten huschten über das Deck. Der Kapitän war keineswegs allein auf dem Schiff, wie manche der Legenden behaupteten.
    „Können Sie mich einmal um die Welt fahren?“
    Er bekam erst mit, dass er es gesagt hatte, als es schon ausgesprochen war. Nun blieb nur noch abzuwarten, was für eine Wirkung dieser unmögliche Satz auf den Kapitän hatte.
    Dieser verzog die Miene, als wolle er zum Lachen ansetzen. Doch mittendrin fielen seine Züge in sich zusammen, die elektrischen blauen Augen glommen auf und schickten neue Wellen wirrer Zuckungen in die Nervenbahnen seines Gesichts hinaus.
    „Um die Welt?“, grollte er. „Um die Welt? Um welche Welt? Um die, von der man herunterfallen kann, oder um die, die eine Kugel ist? Hä?“
    „Ich meinte die Kugel“, antwortete Sir Darren leise.
    „Die Kugel also. Einmal rund herum, was? Nicht, dass ich nicht selbst schon einmal daran gedacht hätte. Verflucht, sobald dieses vermaledeite Kap der Guten Hoffnung umschifft ist, ist es nur noch ein Katzensprung nach Batavia, und von dort aus ein Flohhüpfer um diese ganze klatschnasse Erdkugel. Habe ich nicht Recht?“
    Er hatte nicht Recht. Batavia war der alte Name für Jakarta. Jakarta lag auf der indonesischen Insel Java. Vom Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas war es alles andere als ein Katzensprung nach Südostasien, und selbst wenn man es bis nach Java schaffen sollte, war damit die Erde noch nicht einmal zur Hälfte umrundet.
    Trotzdem nickte Sir Darren. „Wie lange braucht die Libera Nos bis nach Jak… bis nach Batavia?“
    „Amsterdam – Batavia“, knurrte Kapitän Fokke. „Neunzig Tage. Achtzig, wenn die Winde besser stehen als beim letzten Mal.“
    Sir Darren schluckte und sagte: „Ich möchte in achtzig Tagen um die Welt segeln.“
    Er hätte jede Wette darauf abgeschlossen, dass der Kapitän in Hohngelächter ausbrechen würde, doch das geschah nicht. Bernard Fokke kniff die Augen zusammen, und Blitze schienen aus den schmalen Schlitzen herauszufließen wie leuchtendes Quecksilber. Seine gewaltige, ausgetrocknete Oberlippe hob sich an einer Seite, bis sie die Nase von ihrem Platz zu verdrängen drohte. „Wenn ich ernsthaft versuche, in achtzig Tagen um die Welt zu kommen, werde ich mein Schiff dabei zugrunde richten, meine Mannschaft dazu, und ich werde es trotzdem nicht schaffen. Ist es das, was du willst?“
    „Sir“, sagte der Brite und nahm seinen gesamten Mut und noch ein bisschen mehr zusammen. „Ich glaube, die Libera Nos ist zu besserem gebaut worden als dazu, in neunzig oder achtzig oder siebzig Tagen nach Batavia zu gelangen. Und Sie, Kapitän, sind es auch. Wenn es jemand schaffen kann, dann Kapitän Fokke.“
    Fokke – Fokker – jetzt fiel ihm auf, dass das Flugzeug, in dem er von München nach Amsterdam geflogen war, Fokker 100 geheißen hatte. Dumme Koinzidenz. Zufällige Namensgleichheit.
    „Hast du auch etwas, um mich und meine braven Seeleute für die Fahrt zu entlohnen?“
    Sir Darren erstarrte. Er hatte diese Frage nicht vorausgesehen, und das, obwohl sie vollkommen naheliegend und natürlich war. Verwirrt zog er sein Portemonnaie aus der Hosentasche und reichte es dem Kapitän. Dieser betrachtete die Euroscheine und kramte in den

Weitere Kostenlose Bücher