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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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wenigen Münzen herum. Dann warf er seinem Gegenüber den Geldbeutel zu, ohne etwas daraus entnommen zu haben. Sir Darren griff eilig danach und verhinderte gerade noch, dass er über die Reling flog.
    „Das Geld ist nichts wert“, murmelte Fokke. „Was hast du in der Tasche?“
    Er reichte dem Kapitän den Stoffbeutel, den er im Club bekommen hatte. Dieser betrachtete sich die Armbrust, den dazugehörigen Pfeil, den Briefblock, den Bleistift und schließlich die Flasche. „Was ist da drin?“, wollte er wissen.
    „Alkohol“, erwiderte Sir Darren.
    Fokke entkorkte die Flasche, schnupperte, verzog das Gesicht, vielleicht anerkennend, vielleicht angeekelt von dem strengen Geruch. Mit einer Vorsicht, die nicht zu ihm passte, setzte er die Flasche an den Mund und nahm einen winzigen Schluck davon. Im nächsten Moment spuckte er die Flüssigkeit aufs Deck. Sir Darren konnte nicht verhindern, dass er einen Teil davon abbekam, denn der Kapitän hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich weit abzuwenden.
    „Willst du mich vergiften? Das sind hundert Prozent, mindestens!“
    „Verzeihen Sie“, war alles, was Sir Darren herausbrachte.
    „Schon gut. Aber du hast nichts, womit du mich bezahlen könntest, richtig?“
    Der Brite wollte schon zustimmen, da kam ihm eine verrückte Idee.
    Er griff in die Innentasche seines Jacketts. Spürte den Umschlag mit seiner Flugkarte. Den brauchte er nicht. Daneben war der zusammengefaltete Vertrag zu ertasten, den er unterschrieben hatte. Er zog ihn heraus und entfaltete ihn vor dem Kapitän.
    „Komische Buchstaben“, sagte dieser. „Wohl sehr alt.“ Und dann las er: „Flying Dutchman.“ Er riss die Augen auf und sah sein Gegenüber mit diesen beiden funkelnden, stromsprühenden Generatoren an. „Flying Dutchman nennt man mich. Mich!“
    „Das ist gewissermaßen eine Fahrkarte für dieses Schiff“, behauptete Sir Darren. „Ich habe unterschrieben, Ihnen mein gesamtes Vermögen zu vermachen, wenn Sie mich befördern. Lesen Sie selbst das Kleingedruckte.“
    Das Kleingedruckte war wirklich sehr klein gedruckt. Für die schwachen Augen des Kapitäns nicht zu entziffern. Skeptisch blitzte Fokke ihn an. „Lies es mir vor. Aber hüte dich: Ich würde es merken, wenn du mich übers Ohr haust!“
    Er merkte es nicht. Sir Darren improvisierte meisterhaft einen kunstvollen, verschachtelten Text, der sich in endlosen Kreisen und Spiralen wand, Pirouetten drehte und Kniefälle machte und schließlich mit einem fulminanten Finale schloss, das Bernard Fokke, dem Fliegenden Holländer, ein riesiges Vermögen in Gold versprach.
    „Meinetwegen“, sagte der Kapitän beeindruckt. „Ich werde dich …“
    „Einen Moment!“, unterbrach ihn Sir Darren. „Hier steht noch ein Nachsatz.“ Und dann stimmte er aufs Neue seine sprachliche Symphonie an. Diesmal beschrieb er in dunklen Tönen, mit hypnotischem Rhythmus und endlosen Wiederholungen, wie er, der Unterzeichnete, mit allen erdenklichen Foltern bestraft würde, falls er versuchen sollte, seinen Vertragspartner hinters Licht zu führen. Wie erwartet genoss der Kapitän diese Passage ganz besonders, und als Sir Darren erschöpft und ausgebrannt zum Ende kam, sah Bernard Fokke so zufrieden aus, wie ein Gespenst von seinem Kaliber nur aussehen konnte.
    „Ich bin einverstanden“, verkündete er. „Es ist eine Herausforderung für mich und das Schiff, und die Formalitäten stimmen.“ Er gab dem Briten die Tasche mit den Gegenständen zurück und signalisierte damit, dass er nichts davon haben wollte. „Ich schlage vor, wir besuchen heute Abend ein paar Hurenhäuser an Land und laufen gleich morgen früh aus.“
    Der Kapitän hatte nun die Reling im Rücken, und Sir Darren warf einen Blick an ihm vorbei in den Hafen.
    Das rotblonde Mädchen, das er zuvor gesehen hatte, hatte noch immer nicht aufgegeben. Inzwischen hatte es sich von dem Begleiter losgerissen und kam auf das Schiff zu geschlendert. Der Dozent sah jetzt, was für ein hübsches Ding sie war. Ihre tiefrot geschminkten Lippen leuchteten bis zu ihm herauf. Sie trug ein leichtes Sommerkleid. Ihr Freund blieb in der Ferne stehen und schien zu schmollen.
    „Heute ist der erste der achtzig Tage!“, brachte Sir Darren schnell hervor. „Wenn wir nicht sofort auslaufen, ist der Vertrag nichtig. Wir müssen die gesamte Zeit auf See verbringen.“ Die Frau kam näher, sah zum Schiff herauf.
    „Was für ein dummes Geschwätz ist das?“, entrüstete sich der Kapitän. „Ich habe

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