9 - Die Wiederkehr: Thriller
aufs Armaturenbrett gerichtet, entging dem Mann mit den Krücken, dass der Junge in Begleitung seines Vaters zurückgekehrt war.
Leo tat einen Schritt nach vorn.
Die Türen öffneten sich mit dem gleichen Plastikknirschen wie zuvor. Ein schweißnasser hochgewachsener junger Mann in kurzer Sporthose, einem weinroten Sweatshirt mit dem Emblem der Nordwest-Universität und einem Kopfhörer um den Hals tauchte plötzlich hinter ihm auf und trat in den Laden.
Leo folgte ihm.
Hinter sich hörte er das Plastik knirschen.
Draußen am Eingang stellte sich Victoria neben ihren Mann.
Außer ihm und dem jungen Mann, der vom Joggen kam, zählte Leo zwei weitere Personen im Laden. Mit dem Verkäufer, den er vom letzten Schultag wiedererkannte, kam er auf insgesamt fünf Personen.
Der Student mit der Sporthose blieb bei den Erfrischungsgetränken stehen. Er suchte das Regal mit den Augen ab. Der Verkäufer las, das Kinn in die Hand gestützt, für alle Kunden sichtbar in einer Zeitschrift, die offen auf dem Ladentisch lag. Desinteressiert blätterte er die Seiten um. Ein weißhaariger Mann in Hemd und Anzughose, das Jackett über die Schulter geworfen, öffnete die Kühltruhe mit den Eiswürfeln. Mit einer Hand versuchte er an einer der Tüten zu ziehen, die an der Tüte unter ihr haftete. Leo sah sich nach allen Seiten um. Er konnte die fünfte Person nicht mehr entdecken. Er war sich jedoch ganz sicher, sie gesehen zu haben.
Ein Schauer überlief ihn.
Er hatte doch so einen dicken, dunkel bekleideten Typen gesehen. In einem riesigen T-Shirt, dessen Ärmel bis unter die Ellbogen reichten. Und diesen ausgebeulten Hosen, die bis weit unter den Hintern hingen. Der Mann war hier gewesen, als Leo hereingekommen war. Erneut ließ er den Blick durch den Tankstellenshop schweifen.
Als dem Mann im Anzug ein Haufen Eiswürfel zu Boden fielen, hob der Verkäufer den Kopf. Die Plastiktüte war gerissen. Dann sah er Leo von Weitem und hob die Hand. Winkte. Die Geste traf Leo unvorbereitet, und kurz überkam ihn ein seltsames Gefühl im Bauch.
Der Verkäufer stellte sich auf die Zehenspitzen und beugte sich weit vor, um über den PEZ-Bonbon-Aufsteller hinwegschauen zu können, der ihm die Sicht verdeckte. Er blickte auf Leos Füße, und als er sah, dass er diesmal Schuhe anhatte, streckte er als Zeichen der Anerkennung den Daumen hoch. Leo reagierte nicht darauf, er blickte nur von einer Seite zur anderen. Verwundert ließ der Verkäufer den Daumen sinken.
»Einen Moment bitte«, sagte er zu dem Studenten mit dem Sweatshirt, der mit einem Isodrink in der Hand an den Ladentisch getreten war.
Als der Verkäufer vor den Ladentisch trat, tauchte plötzlich von irgendwoher der Mann mit dem riesigen T-Shirt auf, dessen Ärmel bis unter die Ellbogen reichten. Seine mächtige Gestalt erschien vor ihm wie ein schwarzer Fleck, hinter dem Leo verborgen blieb.
Da hörte der Verkäufer den Jungen losschreien.
Sehen konnte er nichts.
Der Mann mit den Krücken draußen im Auto hörte den Schrei des Jungen auch. Die Brust krampfte sich ihm zusammen, er konnte kaum atmen. Er hob den Blick zum Rückspiegel. Bevor die Verbindung überhaupt hergestellt worden war, glitt ihm das Mobiltelefon aus den Händen. Er drehte den Oberkörper so gut es ging nach hinten und blickte verständnislos zu dem Laden.
Leo warf sich gegen die Schiebetüren. An einer der Glaskanten schürfte er sich durchs Hemd hindurch die Schulter auf. Immer noch schreiend, sank er seinem Vater in die Arme. Als der Dicke mit den ausgebeulten Hosen einen weiteren Schritt auf den Ladentisch zu machte, konnte Amador den Verkäufer auf der anderen Seite der Türen auftauchen sehen und umfasste Leos Kopf, um ihn zu beschützen. Der dünne Mann blieb einige Augenblicke dort stehen. Als sich die Türen wieder schlossen, winkte er Richtung Kasse.
»Ich komm ja schon, Mann!«, rief er dem Dicken zu, der sich, vier Dosen Bier in den Händen, beschwerte. »Außerdem ist der junge Mann da zuerst dran. Und es ist nach zehn, da wird kein Alkohol mehr verkauft.«
Victorias Füße scharrten hin und her.
Leos Speichel hatte das Hemd seines Vaters auf Brusthöhe durchnässt. Amador musste daran denken, wie er sich Wasser ins Gesicht gespritzt und sich gesagt hatte: »Dein Sohn ist vollkommen normal, alles kommt wieder in Ordnung.« Ein fernes Echo begann in seinem Kopf widerzuhallen. Alma hat ’ne Meise. Alma hat ’ne Meise. Es waren Kinderstimmen. Alma hat ’ne Meise . Amador und seine
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