9 - Die Wiederkehr: Thriller
Augen und ließ nicht los, bis hinter ihm jemand hupte. Es dauerte eine Weile, bis er wieder klar sehen konnte. Als er den Mann erblickte, der jetzt ohne Schild mit den Armen fuchtelte, trat er aufs Gas. Ruckartig setzte sich das Auto in Bewegung.
Wieder ließ er das Autofenster unten, als er vor dem Haus parkte. Hastig rannte er auf die Tür zu. Erst wollte er den Fahrstuhl rufen, stürzte jedoch unmittelbar darauf die Treppe hoch.
Er ließ die Wohnungstür offen stehen, die Schlüssel im Schloss stecken. Dann war er am Tisch. Breitete die Papiere auf ihm aus. Mit dem Finger fuhr er von Kreis zu Kreis, überprüfte Geburts- und Sterbedaten sämtlicher Personen. Sein Kopf rechnete wie automatisch mit, ohne jede Anstrengung. Er fing beim ersten Überfall an und hörte mit dem letzten auf.
»Das kann nicht sein«, wiederholte er, als sein Finger über Palmers Namen fuhr, auf dem Papier mit der Überschrift »12. Mai 2000«.
Die Beine wollten ihm wegsacken, genau wie im Krankenhaus vorhin. Nur dass sie diesmal tatsächlich nachgaben und er sich auf einen Stuhl setzen musste, um nicht umzufallen. Er stützte die Ellbogen auf den Tisch.
»Du musst bis zum Ende kommen. Manchmal hältst du dich für schlauer als du bist.«
Aarón sprach die Worte des einzigen Professors, der ihn auf der Universität hatte durchfallen lassen, vor sich hin.
»Das kann nicht sein.«
Mehrere Male schlug er sich mit der linken, zur Faust geballten Hand gegen die Stirn.
Als er sie auf das Papier mit dem Überfall legte, bei dem auf David geschossen worden war, begann die Hand zu zittern. Der 12. Mai 2000. Er richtete die Spitze eines Kugelschreibers auf den Kreis mit Palmers Namen. In der Zeitung hatte gestanden, dass der Amerikaner dreiundfünfzig war. Und Aarón war davon ausgegangen, dass sein Alter mit dem der anderen beim Überfall Anwesenden übereinstimmte, die immer gleich alt waren: 53 Jahre, 3 Monate, 2 Tage. Der Logik dieser Papiere nach, die hier auf dem Tisch vor ihm lagen, hätte Señor Palmer, wenn er dieses Alter am 12. Mai 2000 gehabt hätte, am …
»Am 10. Februar 1947 geboren sein sollen!«, sagte er. Er sah weiter auf seine Notizen und ahnte bereits, wo der Fehler lag. »Denn manchmal halte ich mich für schlauer, als ich bin.«
Der Kugelschreiber fiel auf den Tisch, als er sich mit beiden Händen das Gesicht bedeckte.
»Ich habe nichts davon, wenn du mir das richtige Ergebnis hinschreibst, aber mir nicht sagst, wie du darauf gekommen bist«, hatte der Professor – mit den Füßen auf dem Tisch – in seinem Büro zu ihm gesagt. »Es gibt Dinge, die weiß ich einfach, ohne sie zu verstehen«, hatte Aarón zu seiner Verteidigung geäußert. Worauf der Professor geantwortet hatte: »Ich glaube, du hältst dich manchmal für schlauer, als du bist. Und das kann sich kein Wissenschaftler erlauben. Du läufst am Ende Gefahr, die Realität abzuändern, damit sie sich deinen Berechnungen unterordnet, statt umgekehrt.«
Er schielte durch die Finger auf Palmers Namen und das Datum, das er ihm zugeordnet hatte, damit alles übereinstimmte.
»Die Realität abändern, damit sie sich meinen Berechnungen unterordnet …«
Aarón schmeckte den bitteren Geschmack seines Irrtums.
Und begriff die schwerwiegenden Folgen.
Er stand auf, um die Tür zu seiner Wohnung zu schließen, wie der Wissenschaftler, der sein Labor verriegelt, bevor er eine wichtige Entdeckung macht. Wieder am Tisch, nahm er den Kugelschreiber auf und strich das Geburtsdatum durch, das er dem Amerikaner fälschlich unterstellt hatte. Daneben schrieb er das richtige, das Datum, das er ihm am selben Nachmittag im Laden genannt hatte: »10. März 1947«.
Ein Monat später.
Er ließ den Blick über die Kreise der übrigen, beim letzten Überfall Anwesenden schweifen. Er überprüfte das Datum bei dem Jungen, dem jüngsten Cañizares, Sohn der Besitzerin der Universitätsbuchhandlung. Aarón hatte sie in dem Buchladen besucht, um sich zu erkundigen, wie es dem Kleinen nach dem Vorfall im Open gehe, und hatte es irgendwie geschafft, sie danach zu fragen, an welchem Tag ihr Sohn geboren war. Sie hatte das Datum genannt, das Aarón erwartet hatte. Er unterstrich diese Angabe, um kenntlich zu machen, dass sie stimmte. Dann prüfte er das Geburtsdatum des Einbrechers, der die Pistole abgefeuert hatte. Héctor Mirabal hatte es direkt der Polizeiakte entnommen. Aarón unterstrich auch dieses Datum. Er wanderte zu dem Kreis des Mannes, der mit seinem Handy den
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