9 - Die Wiederkehr: Thriller
fertig. Und irgendwann möchte ich auch gern nach Hause.«
Sein Blick driftete wieder ab. Diesmal dachte er an seine Frau, die im Morgenmantel durch den Hausflur schlurfte, mit immer derselben leeren Tasse in der Hand.
»Hier entlang.« Er wies Aarón mit einem Kopfnicken die Richtung. »Und jetzt sag mir, was willst du über den Überfall wissen?«
Sie begannen die Runde entgegen dem Uhrzeigersinn. Sie gingen an einer der riesigen Orientierungskarten des Schwimmbads vorbei, ließen die große Bärenuhr links liegen und gelangten zu einem Mülleimer in Form eines Nilpferds. Samuel klopfte dem Tier aufs Maul. Dann beugte er sich über die geöffnete Klappe und rüttelte an dem schwarzen Müllbeutel, damit sein spärlicher Inhalt nach hinten rutschte. Seine Bewegungen hatten etwas Automatisches.
»Na ja …«, begann Aarón.
Samuel lächelte ihm aufmunternd zu. Dann ging er schnell in die Hocke und hob einen Stein vom Gehweg auf. Er warf ihn in Richtung der Rasenfläche, doch er landete auf einer blauen Rutsche, die in ein rundes Becken mündete. Rumpelnd rollte er über die Plastikbahn nach unten.
»Gott sei Dank ist die noch nicht frisch gestrichen«, stellte Samuel fest. »Die Maler kommen erst am Montag. Montag? Ja, ich glaube Montag. Ich weiß schon gar nicht mehr, welchen Tag wir überhaupt haben«, sagte er, obwohl er genau wusste, dass ihm schon wieder ein Wochenende bevorstand, zwei ganze lange Tage zu Hause.
Ihm war, als könnte er schon das langsame Ticken der Wohnzimmeruhr hören.
»Ich habe den Artikel über dich in der Zeitung gelesen«, begann Aarón. »Kannst du dich an den Überfall noch genau erinnern?«
»Na ja, das war 1971, damals war ich neun. An alles erinnere ich mich natürlich nicht mehr. Aber ich habe mir die Geschichte aus dem, was man mir im Laufe der Jahre darüber erzählt hat, selbst zusammengereimt.«
Sie kamen an einem weiteren Mülleimer vorbei. Dieser hatte die Gestalt eines Frosches. Samuel führte wieder dieselben automatischen Handbewegungen aus und redete dabei einfach weiter.
»Damals war das Open noch gar kein Laden, sondern nur eine kleine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen und einem Tankwart. Er füllte den Leuten den Tank und kassierte sie in einer kleinen Werkstatt ab, genau da, wo sich heute der Laden befindet. Es war ziemlich schlau von dem Amerikaner, einen Laden aus der Werkstatt zu machen.« Er machte eine vielsagende Geste. »Die wenigen Leute hier im Dorf kamen gar nicht darum herum, bei ihm zu tanken, wenn sie zur Arbeit fahren wollten. Damals wohnte hier nur eine Handvoll Leute. Meine Eltern waren gerade aus Galicien hergezogen. Sie hatten irgendwo erfahren, dass in dem Dorf eine Uhrenfabrik eröffnet werden sollte. Sie glaubten allen Ernstes, sie würden in eine große Stadt ziehen, und landeten in einem noch viel kleineren Dorf als vorher. Aber sie haben Weitblick bewiesen! Sieh dir nur an, was aus Arenas geworden ist.«
Samuel machte eine weit ausholende Geste, als erhebe sich die ganze urbane Größe des neuen Arenas direkt hier vor ihnen. Aarón betrachtete stattdessen die Rutschbahnen und leeren Schwimmbecken. Die schwache Abendsonne, die nach dem kurzen Schauer wieder herausgekommen war, spiegelte sich in den Pfützen und tauchte alle Flächen in einen goldenen Glanz. Die Einsamkeit eines für das Publikum geschlossenen Wasserparks hatte etwas Überwältigendes.
»Meine Eltern sind etwa zur gleichen Zeit nach Arenas gekommen«, sagte Aarón, während sein Blick über den immer wieder beeindruckenden Giga Splash wanderte. »Ich wohne schon immer hier. Ich bin hier aufgewachsen. Ich war hier an der Uni. Und jetzt arbeite ich hier in einer Apotheke.«
»Siehst du? So was gibt es wirklich nur hier, in Arenas«, erwiderte Samuel. »Wir wohnen in einer der besten Städte überhaupt. Also, ich für meinen Teil will von Madrid nichts wissen«, verkündete er, während er sich das Jackett glatt zog. »Wo war ich stehen geblieben? Na, jedenfalls konnte man in der Tankstelle damals kaum etwas anderes kaufen als Benzin. Die Kasse war in der Werkstatt. Du kannst dir nicht vorstellen, was der Räuber an dem Tag erbeutet hat. Es war der Tag des legendären Schneefalls, von dem man sich heute noch erzählt. So hat es in Arenas seither nie wieder geschneit.«
Wieder schien etwas Sonderbares hinter Samuels Pupillen vorzugehen. Es war, als hätte er plötzlich den Faden verloren.
»Meine Frau und meine Tochter lieben Schnee«, sagte er. Dann wurde sein Blick
Weitere Kostenlose Bücher