9 - Die Wiederkehr: Thriller
Es hat keinen Sinn, ewig darüber nachzudenken.« Er blinzelte angestrengt wie jemand, der gerade aufwacht. »Und am Ende hast du mir doch viel mehr als eine halbe Stunde abgeknöpft. Glaub nicht, dass ich das nicht gemerkt hätte. Ich habe ein perfektes Zeitgefühl.«
Wieder angeführt von seinem Bauch, stand Isaac vom Tisch auf. Das Knarzen des Stuhls klang wie ein erleichtertes Seufzen.
»Ich werde mal nach den Kuckucks sehen. Den Leuten aus Arenas ist nicht zu trauen. Unfassbar, dass keiner von den beiden anderen in der Lage war, diesen Idioten zu überwältigen. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Schrank dieser Obsthändler war. Na, wie auch immer. Du gehst jetzt auch besser mal. Du weißt ja, wo die Tür ist«, sagte er, wieder ganz der Alte. Wenngleich der wahre Canal dahinter erkennbar blieb. »Du wirst sehen, dein Bruder wird bestimmt wieder gesund.«
»Nur eine Frage noch. Eine allerletzte«, bat Aarón. Er war jetzt auch aufgestanden und streckte seine Hand ins Leere, da Isaac keine Anstalten machte, ihm seine zu reichen. »Wie alt waren Sie damals?«
»Neun. Neun Jahre, drei Monate und zwei Tage. Von meinem Vater hab ich gelernt, wie man Uhren macht. Aber von meiner Mutter hab ich noch was viel Wichtigeres gelernt, nämlich die Zeit zu messen und wertzuschätzen«, sagte er.
Er drehte sich um und ging davon, ohne Aarón noch einmal anzusehen.
»He Junge«, rief Isaac ihm dann aus einiger Entfernung noch hinterher, »dein Kaff stinkt zum Himmel!«
12
ANDREA
Freitag, 27. Februar 2009
Andrea zog sich das T-Shirt über den Kopf und hakte den BH auf. Sie genoss die angenehme Frische in der Busenfalte und unter den Achseln. Wäre sie noch ein kleines Stück weitergefahren, hätte sie sicherlich eine bessere Unterkunft gefunden. Vielleicht hätte sie es sogar noch bis Arenas geschafft. Aber ihr Bedürfnis nach einer Dusche und einem Bett war einfach zu groß gewesen. Außerdem zog sie es vor, nicht in der Stadt zu übernachten. Sie streckte den Rücken und den Hals und verzog vor Schmerz das Gesicht, als sie das Knacken der Wirbel hörte. Das kam davon, wenn man acht Stunden ohne Pause im Auto saß. Sie hielt den BH noch in der Hand, als sie sich mit ausgestreckten Armen rückwärts auf das entsetzlich weiche Bett fallen ließ. Die Laken würde sie erst gar nicht aufschlagen, das wusste sie jetzt schon. In dem Moment klingelte ihr Handy.
Sie seufzte, als sie Emilios Namen auf dem Display sah.
»Du gehst einfach aus dem Haus und hinterlässt mir nichts als einen Zettel«, sagte er. »Sag mir wenigstens, dass du mich nicht für immer verlassen hast.« Emilios Stimme klang aufgebracht, aber Andrea konnte den scherzhaften Unterton heraushören. »Du hast nicht mal das Frühstück weggeräumt oder das Radio ausgeschaltet. Was ist los?«
»Ich weiß. Tut mir leid, dass ich so überstürzt aufgebrochen bin. Aber meine Mutter hat mich heute Morgen angerufen«, log sie. »Sie wollte wissen, wann wir uns endlich mal wiedersehen. Also habe ich spontan beschlossen, ihr eine Freude zu machen. Ich finde, es ist nur fair, dass ich mal zu ihr nach Arenas fahre, oder? Sonst kommt sie ja immer zu uns. Und das, obwohl sie überhaupt keine Lust hat, in derselben Stadt wie mein Vater zu sein.«
»Du machst genau das Richtige, Andrea.« Schon bei seinem ersten Versuch, sie Drea zu nennen, hatte sie es ihm ausdrücklich verboten. »Es war schon lange an der Zeit, dass du mal dahin fährst.«
Andrea hasste Emilios verständnisvolle Art. Er reagierte jedes Mal gleich freundlich und entgegenkommend, egal was sie ihm auftischte. Am liebsten hätte sie in den Hörer geschrien, dass ihre Mutter nicht den leisesten Schimmer davon hatte, dass sie auf dem Weg nach Arenas sei. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass der Mann, den sie bei einem Vorstellungsgespräch in einem spanischen Architektenbüro in Toulouse kennengelernt hatte (sie hatten sich um dieselbe Stelle beworben, die er schließlich bekommen hatte), nach zwei Jahren der einzige Lichtblick in der beklemmenden Düsternis gewesen war, die sich nach der Sache mit Aarón über ihr Leben gelegt hatte. Emilio war ein netter Typ, aber er konnte ihr weder im Bett noch bei einem Glas Wein auch nur annähernd das geben, was Aarón mit einer einfachen Bewegung der Unterlippe bei ihr ausgelöst hatte. Aber er hatte ihr das Leben gerettet, als sie damals aus Arenas geflüchtet und sich im Haus ihres Vaters in Südfrankreich verkrochen war. Ihr Erzeuger hatte sie bei sich
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