9 - Die Wiederkehr: Thriller
theatralisch vorkam. »Aber weißt du was? Wenn ich die Aufsicht anrufe und um Erlaubnis frage – falls da überhaupt jemand da ist und nicht im Aqua –, dann kann ich dir jetzt schon sagen, dass es ziemlich lange dauert. Dann musst du garantiert erst irgendein Formular ausfüllen, mit Unterschrift und allem Pipapo, ja, unterschreiben wirst du auf jeden Fall irgendwas müssen …«
Der Mann fuchtelte unaufhörlich mit der rechten Hand in der Luft herum, und Andrea wurde klar, wie daneben sie mit ihrer Annahme gelegen hatte, der Typ wolle sie anbaggern.
»Verstehst du, was ich dir sagen will? Es wäre für alle Beteiligten viel einfacher und viel schneller, wenn du mir jetzt einfach sagst, was du von mir wissen willst, und ich sage dir dann, ob ich es in unserer Datenbank finde oder nicht. Dann hältst du schön den Mund, und ich halte auch den Mund. Und alles ist gut.« Nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte, fügte er hinzu: »Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir ja deinen Ausweis oder etwas in der Art zeigen, damit das Ganze ein bisschen offiziell aussieht, und dabei lassen wir es dann bewenden.« Er zog gleichzeitig beide Schultern hoch und legte den Kopf schief. »Bist du von hier? Aus Arenas?«
»Ja. Ich war früher Dozentin an der Uni, aber dann bin ich weggezogen«, antwortete sie und hielt ihm den Führerschein hin.
»Du bist aus Arenas? Na dann. Hier gibt es nur anständige, nette Leute.« Er lächelte und warf einen Blick auf den Führerschein. »Die blonden Haare standen dir aber gut!« Er fuhr mit dem Zeigefinger über ihren Namen. »Andrea. Schön. Dann sag mir jetzt: Was genau willst du von mir wissen?«
»Na ja«, begann sie und dämpfte unwillkürlich die Stimme, »ich wollte nur fragen, ob hier am 12. Mai 2000 ein Kind geboren wurde.«
»Ah, ich weiß schon: Du bist dir nicht sicher, wann das Kind einer guten Freundin Geburtstag hat. Das höre ich nicht zum ersten Mal. Datumsangaben kann ich mir generell schlecht merken. Zum Glück haben meine Freunde keine Kinder, so vergesse ich wenigstens nur ihre eigenen Geburtstage.«
Während er redete, tippte er etwas in den Computer. Andrea beobachtete, wie Miguel, das verriet ihr das Schild an der Brusttasche seines weißen Kittels, unterschiedliche Bereiche des Bildschirms in Augenschein nahm und in scheinbar willkürlichen Abständen die linke Maustaste drückte.
»Jahr 2000 …«, murmelte er, »Monat Mai …« Er machte ein schmatzendes Geräusch mit den Lippen. »Nein, nichts«, verkündete er schließlich.
Andrea legte den Kopf auf den Arm, den sie in Richtung Tresen ausgestreckt hatte, und tat so, als wische sie sich den Schweiß vom Gesicht. Miguel hielt den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet. Auf seiner Stirn tauchten ein paar kleine Falten auf.
»De facto«, seine Stimme klang jetzt ernster, und er sprach auch langsamer als zuvor, »gab es in der Stadt keine Geburten bis …«
Die Stirnfalten verschwanden wieder, und in seinen Augen blitzte eine Erkenntnis auf.
Miguel fiel der Typ mit der Blutung am Auge wieder ein. Es war das einzige Mal gewesen, dass man ihn am Arbeitsplatz angegriffen hatte. Er warf Andrea einen Blick zu, der keine Spur von Freundlichkeit mehr erkennen ließ.
»Ich möchte Sie jetzt bitten zu gehen«, sagte er.
Andrea war wie vor den Kopf gestoßen, als sie das Krankenhaus verließ. Aarón, du hast dich in allem getäuscht, dachte sie, wobei sie mit dem Arm gegen die automatische Schiebetür stieß.
Hinter dem Tresen wandte sich Miguel wieder dem Bildschirm zu. Hellgrün auf dunkelgrünem Hintergrund erschienen die Ergebnisse der Suche, die er soeben auf die Bitte der Fremden durchgeführt hatte. Kurz bevor er ihre Frage mit dem Typen mit dem blutenden Auge in Verbindung gebracht hatte. Das gleiche Datum und die gleiche Frage. Die gleiche Frage und die gleiche Unruhe. Die aufrichtige Besorgnis im Blick. Es war die einzige Geburt im Universitätsklinikum von Arenas in den Monaten Mai bis Juni des Jahres 2000. Miguel wollte den Blick von dem Namen abwenden, über dem der Mauszeiger flimmerte: Leonardo Cruz. Er dachte an die Geschichte, die ihm dieser Verrückte erzählt hatte. Er hatte vom August 2009 gesprochen. Vom August diesen Jahres.
Was hatte er zu verlieren? Nichts. Und was zu gewinnen? Das Leben eines Kindes.
Ohne lange darüber nachzudenken, öffnete er das Textverarbeitungsprogramm und begann zu tippen. Dann kam ihm das Ganze plötzlich absurd vor, und er ließ den letzten Satz
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