9 - Die Wiederkehr: Thriller
vier Blätter mit den Daten vor sich auf dem Tisch aus, als handelte es sich um die Teile eines Puzzles, von dem er nicht wusste, was es am Ende darstellen sollte. Das vielleicht überhaupt nichts darstellte. Während er nun auf die weißen Blätter mit den Datumsangaben starrte, die jeweils eines der Ereignisse repräsentierten, über die er sich in den letzten Wochen so sehr den Kopf zerbrochen hatte, war ihm, als betrachtete er seine eigenen Gedanken von außen.
Auf jedes der Blätter malte er fünf Kreise.
»Das sind die Personen«, sagte er laut.
»Offenbar immer alle männlich.«
Nach dem zwanzigsten Kreis betrachtete er die Collage wieder in ihrer Gesamtheit. Als hätte er das Naheliegende vergessen, zog er auf jedem Blatt eine Linie, die einen der Kreise von den anderen vier trennte.
»Und der Ladentisch«, sagte er, als er fertig war.
Ein Bild aus seiner Kindheit, wie er flach auf dem Teppichboden seines Zimmers lag und die Punkte in seinem Malbuch in der Reihenfolge verband, wie es die Zahlen vorgaben, erschien vor seinem geistigen Auge.
Verbinde die Punkte, Aarón.
Er blätterte in seinem Notizbuch, überflog die in aller Eile hingekritzelten Aufzeichnungen und riss sieben Seiten heraus. Dann nahm er das Blatt, das er mit dem Datum von 1909 versehen hatte, und begann zu schreiben. Er wusste, dass das Opfer in jenem Jahr Isaac Canals Großvater gewesen war. Er schrieb den Namen in den Kreis auf der Seite des Ladentisches. Um ihn von den anderen Familienmitgliedern – dem Sohn und dem Enkel –, die denselben Nachnamen hatten, zu unterscheiden, setzte er hinter seinen Namen eine römische »I«. Unter den Kreis schrieb er das Wort »Opfer«. Dann blätterte er wieder in dem Notizbuch. Er las die Aufzeichnungen quer, so wie man einen Text liest, den man bereits kennt, und wandte sich dann wieder dem Blatt zu. In einen anderen Kreis schrieb er das Wort »Junge«. Ein Junge, der wohl den Schreck seines Lebens davongetragen hat, erinnerte er sich an die Worte des Fabrikbesitzers. In einen der übrigen Kreise schrieb er das Wort »Mörder«. Und aus Mangel an Informationen über die beiden verbleibenden Personen nannte er sie einfach »Zeuge 1« und »Zeuge 2«. Er las sich die Mitschrift der Unterhaltung mit Isaac Canal noch einmal durch, vergewisserte sich, dass er nichts übersehen hatte, und legte das Blatt wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück.
Und was nützt dir das jetzt?, dachte er.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er laut.
Dann nahm er das Blatt, das mit dem Datum von 1950 versehen war. Er füllte die Kreise auf die gleiche Weise aus. In den Kreis auf der Seite des Ladentischs schrieb er »Isaac Canal II« und darunter das Wort »Opfer«. »Mein Vater wurde von einem anderen Arschloch umgebracht«, hatte Canal gesagt. In den zweiten Kreis schrieb er wieder »Junge«, wobei er diesmal auch den entsprechenden Namen hinzufügte, und in den dritten »Mörder«. Die beiden übrigen Personen betitelte er als »Zeuge Pfarrer« und »Zeuge Obsthändler«. Aarón überprüfte noch einmal seine Aufzeichnungen und vervollständigte das Schema mit den entsprechenden Altersangaben. Unter den Namen des Opfers »Isaac Canal II« schrieb er »vierzig«. Er musste an die Frau denken, die bis zu ihrem Tod das viel zu kurze Leben ihres Mannes beklagt und tagtäglich seine genaue Lebensdauer in Jahren, Monaten und Tagen wiederholt hatte. Das Alter des Jungen »Isaac Canal III« war ihm ebenfalls bekannt. Canal war damals neun gewesen. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie mein Vater umgebracht wurde«, lauteten seine Worte. Es fiel ihm nicht leicht, sich den Mann, dem Arenas so sehr verhasst war, als Kind vorzustellen. Aarón fand die Stelle, an der er einen der letzten Sätze des Uhrmachers notiert hatte. Tatsächlich hatte er die Anzahl der Monate und Tage mitgeschrieben, allerdings so schnell, dass es ihm nicht möglich war, seine eigene Schrift zu entziffern. Aber so wichtig konnte dieses Detail nun auch nicht sein. »Neun«, schrieb er unter den Kreis.
Die Jungen haben immer dasselbe Alter, schoss es ihm durch den Kopf.
Er betrachtete das ausgefüllte Blatt, das deutlich mehr Informationen enthielt als das vorherige.
Aarón kratzte sich am Hals. Der Bart knisterte unter seinen Fingernägeln. Er rieb sich mit den Fäusten die Augen. Ein plötzliches Hungergefühl überkam ihn, aber er beschloss, es zu ignorieren. Er konnte sich kaum erinnern, wann er zum letzten Mal etwas gegessen hatte.
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