9 - Die Wiederkehr: Thriller
stöhnte Leo. »Ja … der vierzehnte August.«
»Aber das ist nicht möglich. Wie …?«
In einiger Entfernung sah Andrea die Gestalt einer Frau direkt auf sie zukommen. Da fiel ihr plötzlich wieder ein, warum sie hier war. Der Junge war über das Datum bereits informiert. Das war die Hauptsache. Alles andere ging sie nichts an.
Sie erhob sich, stieg wieder ins Auto und fuhr los.
Jetzt floh sie schon ein zweites Mal aus Arenas.
Doch in diesem Moment rutschte ihr der rechte Fuß weg, und sie trat auf die Bremse, sodass sie praktisch gezwungen war, die Hauptstraße zu verlassen und rechts abzubiegen. Dann hielt sie den Wagen an.
Sie konnte nicht noch einmal fliehen.
Aber sie war auch nicht in der Lage, sich dem Ganzen alleine zu stellen.
Ein paar Minuten verharrte sie schweigend am Straßenrand. Bis sie der Lärm eines viel zu schnell fahrenden Fahrzeugs aus den Gedanken riss. Andrea sah aus dem Augenwinkel etwas vorbeirauschen, bevor sie den Wagen mit ausholenden Armbewegungen wieder zurück auf die Hauptstraße lenkte und in die Stadt zurückfuhr. Im Rückspiegel sah sie das Schild immer kleiner und kleiner werden, das sie aus Arenas de la Despernada verabschiedet hätte, wäre sie nicht von ihrem rechten Fuß daran gehindert worden. Vor dem Schild glaubte sie die Umrisse eines stehenden Autos zu erkennen, und daneben eine kleine Gestalt auf dem Asphalt.
Andrea kurvte durch die Straßen von Arenas. Von Zeit zu Zeit schloss sie kurz die Augen. Bestimmte Orte in der Stadt wollte sie unter keinen Umständen wiedersehen. Als am Ende der Straße schließlich die Umrisse des Hauses auftauchten, das sie suchte, atmete sie tief durch.
Sie hielt unmittelbar vor der Veranda. Als sie die Stufen hinaufstieg, band sie sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie färbte es sich seit längerer Zeit rot, um sich noch deutlicher von der Andrea abzugrenzen, die es nicht mehr gab. Wie um sich wachzurütteln, rieb sie sich das Gesicht.
Dann klingelte sie.
Eine ältere Frau mit blauen Augen öffnete, und in ihrem Blick spiegelten sich neun lange Jahre unbeantworteter Fragen. Andrea konnte nichts sagen. Sie ließ den Tränen freien Lauf und umarmte sie.
»Wie habe ich dich vermisst«, sagte die Frau. »Und er auch.«
13
AARÓN
Dienstag, 30. Mai 2000
Als er die weiße Tasse, die Andrea und er einmal bei Ikea gekauft hatten, wieder aufhob, blieb auf einer der Fotokopien ein kreisrunder dunkler Fleck zurück. Noch nie hatten diese immer wiederkehrenden Anfälle von beschleunigtem Denken so lange angedauert, dass er jetzt völlig erschöpft war und eine ordentliche Dosis Koffein brauchen würde, um all die losen Gedankengänge zu Papier zu bringen.
Aarón saß zu Hause an seinem großen Wohnzimmertisch. Er öffnete die rechte Schublade und nahm vier Blätter von dem Papierstapel, den er für gelegentliche Schreibarbeiten dort aufbewahrte. Er nahm einen Schluck von seinem mittlerweile kalten Kaffee. Dann legte er die Blätter im Querformat aneinander. Auf jedem Blatt stand eines der Daten, an denen sich die vier Überfälle ereignet hatten:
14. September 1909
29. Januar 1950
3. Februar 1971
12. Mai 2000
Das letzte Datum lag genau achtzehn Tage zurück. Er unterstrich jeweils die Jahreszahlen und malte ein kleines Kästchen daneben, das markierte, ob es sich um das Uhrmachergeschäft, die alte Tankstelle oder den Laden des Amerikaners handelte. Neben seinem Laptop lag aufgeschlagen das vom vielen Gebrauch sichtbar abgenutzte Notizbuch, in dem er die Gespräche mit Samuel Partida und Isaac Canal mitgeschrieben hatte. Außerdem hatte er die Zeitung, die sich Andrea vom Pförtner ausgeliehen und nie zurückgegeben hatte, und die Fotokopien, die ihm Samuel von der alten Tageszeitung gemacht hatte, offen vor sich auf dem Tisch liegen. Anfangs hatte er geglaubt, er könnte auch den einen oder anderen Zeitungsausschnitt von 1950 oder 1909 auftreiben. Er hatte sich vorgestellt, die Stadtbibliothek von Arenas verfügte über ein Archiv, in dem alle Zeitungen der letzten hundert Jahre auf einem Bildschirm Seite für Seite einzusehen waren, aber Glorias Gesicht, während sie sich die Brille an einem Bügel nach vorne auf die Nasenspitze schob, und ihr nasales Lachen, während sie ihn auf die alten Regale aufmerksam machte, zwischen denen sie acht Stunden am Tag hin und her lief, hatten ihn eines Besseren belehrt.
»Wenn es etwas herauszufinden gibt, dann muss das hier ausreichen«, sagte er zu sich selbst.
Er breitete die
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