9 - Die Wiederkehr: Thriller
Januar 1950 beim zweiten Überfall auf das Geschäft ums Leben.« Er ließ den ausgestreckten Zeigefinger auf eines der Blätter sinken. »Am Tag, an dem Roberto de la Maza geboren wurde.«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wer Roberto de la Maza ist«, erwiderte Andrea. Sie formte mit den Lippen mehrere Vokale, bevor sie schließlich sagte: »Aarón. Was redest du da?«
»Roberto de la Maza, der 1971 in der Tankstelle umgebracht wurde. Bei dem Überfall, von dem Samuel Partida mir erzählt hat. Er starb an dem Tag, als ich geboren wurde«, erklärte er in einem Ton, der schärfer ausfiel als gewöhnlich. Er war erstaunt, dass Andrea ihm nicht folgen konnte.
»Warte.« Sie massierte sich die Schläfen und strich sich das Haar hinter die Ohren. »Ich komm nicht mehr mit. Das sind zu viele Informationen.«
Aarón brach in Gelächter aus. Vor zwei Wochen hatte er tatsächlich einen Wust an Informationen gehabt. Aber jetzt schien doch alles völlig einleuchtend. Die Zusammenhänge waren offensichtlich. Und sie waren überwältigend. Er hörte auf zu lachen, als sie mit einer brüsken Bewegung vom Stuhl aufstand, zum Sofa hinüberging und sich rücklings mit verschränkten Armen daraufplumpsen ließ.
Aarón ging zu ihr hinüber und nahm ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.
»Drea«, begann er. »Du musst dir das anschauen. Sag mir, dass du mir glaubst. Denn ich sehe es, und es ist real. Alle Daten stimmen überein. Du musst es gar nicht verstehen, vergiss die Daten«, fuhr er fort und deutete auf den Tisch, »aber glaub mir, was ich dir sage. Die Canals, Roberto, Davo … Sie alle wurden an dem Tag geboren, an dem das vorherige Opfer gestorben ist.«
Er war erleichtert, dass es endlich heraus war. Der Druck seiner Hand auf Andreas Knie ließ nach.
Sie verzog keine Miene. Er wandte den Blick ab und sah zu Boden.
»Aarón.« Sie ergriff seine Hand und wartete darauf, dass er sie ansah. So wie eine Mutter darauf wartet, dass ihr Sohn endlich zugibt, dass er sich alles nur ausgedacht hat. »Aarón, was redest du da? Hast du dir schon mal selber zugehört?«
»Nein«, antwortete er laut. »Ich will, dass du mir zuhörst. Was ich hier gefunden habe, ist reine Mathematik. Einer wird geboren, wenn der andere stirbt«, wiederholte er.
»Ich hör dir doch zu. Aber ich verstehe nichts von dem, was du erzählst. Es ergibt keinen Sinn.«
Andrea ließ seine Hand los, stand auf und ging ins Bad. Sie sperrte hinter sich ab. Dann stützte sie sich mit den Händen auf das Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. »Jeder leidet auf seine Weise. Lass ihn so damit umgehen, wie es für ihn am besten ist«, hatte Ruth, die wie immer neben dem Bett ihres Sohnes gesessen hatte, eines Abends zu ihr gesagt. Der lag nach wie vor auf dem Rücken im Halbdunkel des Krankenhauszimmers, das sich allmählich in sein neues Zuhause verwandelte, und atmete seit nunmehr einem Monat in demselben verlangsamten Rhythmus. »Bitte, sag ihm, dass ihm niemand für irgendetwas die Schuld gibt«, hatte Ruth noch hinzugefügt, während sie David die Decke bis zum Kinn hochzog, die Hände auf seine Brust legte und Andrea voller Hoffnung anlächelte. »Gute Nacht. Und danke für deinen Besuch. Ich bleibe heute wieder über Nacht hier. Bei ihm.« An jenem Abend hatte Andrea Ruth auf die Wange geküsst und beschlossen, Aarón so viel Zeit zu geben, wie er brauchte. Wenn er sich unbedingt die Schuld an allem geben wollte, dann bitte. Und wenn er auf Teufel komm raus eine Erklärung für den Vorfall finden musste, dann würde sie ihn nicht aufhalten.
»Drea?«, rief er sie auf der anderen Seite der Tür. »Komm, du musst mir jetzt helfen …«
Aber Andrea hielt sich die Ohren zu und hörte das Ende des Satzes nicht mehr. Als sie den Druck auf ihre Ohren verringerte, hörte sie, wie Aarón mit den Fingerknöcheln von außen gegen die Tür klopfte.
»Was, Aarón? Was ist?«
»Da ist noch viel mehr«, sagte er.
Er hörte ihren Seufzer, und dann, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde. Er wartete, bis sich die Tür wieder öffnete. Zuerst tauchten Andreas Haarsträhnen auf und dann ihr breites Lächeln.
»Na, dann los«, sagte sie und nahm kurz sein Gesicht in beide Hände. »Erzähl mir alles.«
Sie schalteten das Licht im Badezimmer aus. Die Wohnung war wieder in den schwachen Schein der Schreibtischlampe getaucht. Ein plötzlicher Windstoß fuhr unter die Blätter auf dem Tisch. Andrea fror an den Schläfen, im Nacken, überall dort, wo sie sich mit
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