9 - Die Wiederkehr: Thriller
dem eiskalten Wasser benetzt hatte. Sogar die Hände hatte sie so lange unter das Wasser gehalten, bis die Fingerkuppen schmerzten. Nun, da der Schmerz nachgelassen hatte, spürte sie ein leichtes Kribbeln. Sie setzten sich wieder auf das Sofa. Aarón hatte ein paar Blätter vom Tisch mit herübergenommen. Andrea musste an Doktor Huertas denken, den Psychologen in der Stadt und ein Freund ihrer Mutter. Diese war zwei Jahre bei ihm in Therapie gewesen, nachdem Andreas Vater die Familie verlassen hatte.
Von Andreas Lächeln ermutigt, legte Aarón los:
»Isaac hat es mir selbst erzählt, als ich ihn in seiner Fabrik besucht habe. Sein Vater wurde an dem Tag geboren, als sein Großvater starb. Schon da hätte ich zu dem Schluss kommen können, dass sich das Muster wiederholte. Aber es hat eben etwas länger gedauert.« Er musste daran denken, wie er, schweißgebadet und in Unterwäsche, mit der Ferse in einer kleinen Pfütze aus geschmolzenem Eis vor dem Kühlschrank gestanden hatte. »Ich musste noch mehr Daten sammeln, die Todes- und Geburts daten fast aller Beteiligten.«
»Und die hast du alle aus der Zeitung?«
»Ja. Aus der Zeitung und dem Internet. Außerdem habe ich noch einmal mit Canal telefoniert und mit ein paar anderen Leuten aus der Stadt.« Aarón machte eine Geste mit den Augenbrauen, die Andrea völlig unbekannt war. »Und auf dem Friedhof, klar.«
»Sag nicht, du bist …«
»Wo wärst du denn hingegangen?«
Andrea rieb die Lippen aneinander. Sie nickte übertrieben und schwieg.
»Als ich die Daten überprüfte, wurde mir plötzlich alles klar. So viele Übereinstimmungen konnten kein Zufall sein.« Er nahm ihre Hand und streichelte sie mit dem Daumen. »Du hast mich vor ein paar Wochen am See gefragt, ob Davo das alles noch etwas nützen würde. Ihm nicht mehr, so viel ist klar.« Der Daumen hielt inne. »Aber dem Nächsten vielleicht. Was fällt dir hier auf?«, fragte er wie aus heiterem Himmel.
Er breitete so gut es ging die vier Blätter auf dem Sofa zwischen ihren Beinen aus. Andrea betrachtete die unzähligen Kreise und die »X«, die auf jedem Blatt einen der Kreise markierten. Sie strich sich wieder eine Strähne hinters Ohr. Langsam hob sie zwei Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf.
»Schau«, sagte er und zeigte auf die vier Kreise, unter denen »Junge« stand. »Immer ist ein Junge dabei. Jedes Mal ein anderer. Aber sie sind alle neun Jahre alt. Da wurde ich zum ersten Mal stutzig. Dann sah ich, dass nicht nur der Junge bei jedem Überfall gleich alt ist. Drea, es ist unglaublich, aber die fünf Personen, verdammt, die fünf Männer sind wie Filmfiguren in ein und derselben Szene, nur dass sie von verschiedenen Leuten gespielt werden. Sie haben immer, jedes Mal, dasselbe Alter.« Er blickte auf die Blätter und dann zu ihr. »Glaubst du, das kann Zufall sein?«
Andrea hob den Blick von den Zetteln zwischen ihren Beinen und richtete ihn ein paar Sekunden lang auf jenen Aarón, der ihr so fremd war. Dann ließ sie den Blick wieder sinken, ohne ihm eine Antwort zu geben.
»Und das Alter des Jungen stimmt nicht nur in Jahren überein.« Er sprang zum Tisch, suchte etwas unter dem Haufen von Zetteln und kehrte mit dem Notizbuch in der Hand zum Sofa zurück. »Alle sind bis auf den Tag genau gleich alt.«
Aarón dachte an Isaac Canal, vielmehr an dessen Mutter, während er vor Andreas Augen mit dem Daumen alle Seiten des Buches durchblätterte.
»Der Junge, Zeuge der bisherigen Morde, ist immer genau neun Jahre, drei Monate und zwei Tage alt. In jedem der Fälle: Samuel hatte dieses Alter, Isaac, der Enkel der Cañizares …« Aarón schwieg. Er knirschte mit den Zähnen. »Weißt du, was das bedeutet?« Seine Kiefermuskeln traten deutlich hervor. »Dass wir bereits wissen, welches Alter der Junge beim nächsten Mal haben wird. Und wenn wir vom 12. Mai ausgehen …«
»Vom 12. Mai? Dem Tag, an dem David angeschossen wurde?«, fragte Andrea. Es klang verächtlicher als beabsichtigt. »Welches nächste Mal?«
»Na, ist doch klar. Das Ganze wird noch ein fünftes Mal passieren. Und diesmal stirbt der Junge. Es ist die einzige Figur, die bislang verschont geblieben ist.«
»Aarón, bitte …«
»Es sind immer fünf männliche Personen.« Er erhob die Stimme. »Jedes Mal wird einer der fünf getötet, und zwar immer ein anderer. Der Großvater von Isaac Canal war dreiundfünfzig, sein Vater vierzig, Roberto einundzwanzig und …«
»Sag es nicht, Aarón, bitte …«, flehte
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