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9 - Die Wiederkehr: Thriller

9 - Die Wiederkehr: Thriller

Titel: 9 - Die Wiederkehr: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Pen , Nadine Mutz , Hanna Grzimek
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hatte, als sie in den Sommerferien vor einem Jahr abends noch Milch geholt hatten. Der ihm die geklaute Schaumzucker-Erdbeere nicht berechnet hatte. Der Gedanke wurde von der Schlagkraft eines Bildes unterbrochen, das so leuchtend klar vor seinem inneren Auge auftauchte, dass er die Augen zusammenkneifen musste: der sonderbare Ausdruck des Wiedererkennens im Blick des Alten an jenem Abend, an dem sein Vater das Wechselgeld hatte liegen lassen.
    Dem Abend, an dem der erste Brief aufgetaucht war.
    Auf der dreißig Grad heißen Straße brach Leo der kalte Schweiß aus.
    Edgar und Schramme standen in der Ladentür. Er konnte unmöglich barfuß über den Zebrastreifen gehen. Alle würden ihn anstarren. Oder sogar mehr als das.
    Der Asphalt brannte sich ihm in die Fußsohlen. Leo hob abwechselnd die Beine an, erst das linke, dann das rechte, so als müsste er dringend pinkeln. Er sah sich um. Dann ging er bis zur Ampel vor und stellte sich auf den schmalen schwarzen Schattenstreifen, den der Pfahl auf den Asphalt warf.
    Er wartete.
    Als die Ampel für die Fußgänger auf Rot sprang, hörte er ein Klicken,.
    Er sah, wie Edgar, von den anderen bejubelt, das Open betrat. Alle hatten sich jetzt vor dem Eingang des Ladens versammelt. Ein paar Minuten später kam Edgar mit zwei großen Plastikflaschen wieder heraus, in jeder Hand eine. Die anderen schrien, lachten, applaudierten.
    Die Ampel schaltete wieder um.
    Bevor er sich selbst entschieden hatte loszugehen, tat Leos linker Fuß einen Schritt nach vorne. Als der rechte dem linken folgte, wusste Leo, dass es kein Zurück mehr gab. Seine freie Hand klammerte sich wieder fest um einen der Träger seines Astronautenrucksacks. Er dachte an die drei Kratzer auf seiner Wange, auf denen sich inzwischen eine dünne Kruste gebildete hatte. Und er dachte an Pi, der auf der anderen Seite der Balkontür geschlafen hatte, während sich über ihm am Nachthimmel von Arenas ein Feuerregen entzündete. Leo malte sich aus, wie er sich ein weiteres Jahr lang den abgelegensten Platz aussuchen würde, um alleine im Speisesaal der Schule zu essen. Wie er ein weiteres Jahr lang jeden Nachmittag neben der Ampel auf seine Mutter warten würde, derselben Ampel, deren spärlichen Schatten er soeben verlassen hatte.
    Er setzte einen Fuß auf die Straße. Der erste weiße Streifen war genauso heiß wie der Asphalt. Er trat fest auf. Den Blick hielt er eisern nach vorn gerichtet. Seine Mitschüler waren nur eine unförmige Masse am Rande seines Sichtfelds, wie das Monster in dem alten Film, den er hinter dem Rücken seiner Mutter mit seinem Vater angeschaut hatte. Er trat auf den zweiten weißen Streifen. Er stellte sich vor, über eine wackelige alte Holzbrücke zu gehen, die über einen reißenden Fluss führt. Wenn er neben die Bohlen trat, neben die weißen Streifen, würde er hinunter in die Tiefe fallen. Auch die Lücke zwischen dem zweiten und dem dritten Streifen meisterte er ohne Probleme.
    Jemand schrie:
    »He, schaut mal! Der Idiot kommt!«
    Plötzlich wurde es still. Das Gelächter verstummte. Schramme gab Edgar und Jota ein Zeichen. Sie rannten zum Zebrastreifen und feuerten Leo an, als wäre er ein Sportler auf den letzten Metern eines großen Laufs.
    Leo blickte zu Boden.
    Er zwang sich, an den Alten zu denken. An den Luftpostumschlag. Und an den anderen, den Linda ihm gegeben hatte, dessen Ecken sich ihm in den Bauch gebohrt hatten. An die immer ausdrucksloseren Augen seiner Mutter.
    Er brauchte eine Erklärung. Vielleicht wusste der Alte etwas.
    »Was ist los?«, brüllte Schramme ihn von der anderen Straßenseite aus an. »Willst du jetzt plötzlich normal sein, oder was?«
    Leo hörte, wie Schramme in die Hände klatschte und sich zu der Beleidigung gratulierte.
    »Aber zu einem Irrenarzt zu gehen, ist nicht normal, du Spinner. Diese Straßenseite ist nichts für dich. Die Angsthasen werden von ihren Mamis da drüben abgeholt.«
    Edgar ahmte das Lallen eines Babys nach.
    Leo erreichte das andere Ende der Brücke. Als Schramme ihm auf den Fuß trat, durchfuhr ihn der Schmerz wie ein Blitz vom großen Zeh bis zur Ferse. Geräuschvoll sog er den Speichel ein.
    »Heulst du gleich?«
    Schramme beugte sich zu ihm herab. Leo sah die Sommersprossen auf seiner Nase. Und auf dem Kinn die Narbe, die ihn an jenem ersten Schultag, der schon so weit zurücklag, zum Helden gekürt hatte.
    Leo wandte das Gesicht ab.
    »Ich hab dich gefragt, ob du gleich heulst«, wiederholte er etwas lauter.
    Ein neuer

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