9 SCIENCE FICTION-STORIES
passieren würde.
Nach dieser Nacht konnte ich mir denken, daß die Firma meiner Mutter, Tomorrow AG, auf mehr aufgebaut war als dem Studium der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Tendenzen.
Aber worauf?
Ich habe sie nie gefragt. Ich glaubte nicht, daß sie es mir sagen würde, und ich wollte ihr nicht die Befriedigung geben, mir etwas abzuschlagen. Aber vielleicht war das nicht der einzige Grund. Ich hatte auch Angst, sie zu fragen. Später war es beinahe so, als wären wir zu der stillschweigenden Übereinkunft gekommen, ich sollte nicht fragen, da ich zur rechten Zeit ohnehin alles erfahren würde.
Die Tomorrow AG machte eine ganze Menge Geld. Mutters Fähigkeit, bedeutende öffentliche Entwicklungen richtig vorherzusagen, war unübertroffen. Denn sie riet nie falsch. Natürlich verdienten ihre Kunden noch mehr Geld als sie, denn sie konnten mehr investieren. Auf ihren Rat hin nahmen sie sich des stark gesunkenen Marktes an, zwei Wochen bevor man auf der Konferenz von Den Haag zu dem berühmten Übereinkommen von 1970 gelangte. Mutter war es auch, die den Erfolg von Bartellis Neutron-Versuchen mit Cerium vorhersagte – früh genug, daß die Cameron-Gesellschaft alle Monazit-Sand-Vorkommen aufkaufen konnte.
Ebensogut erriet sie Derby-Sieger, Gerichtsentscheidungen, Wahlergebnisse und Ähnliches. Sie sagte genau vorher, welche Rakete zum Mond Erfolg haben würde.
Sie war intelligent, aber kaum ein Genie. Ihre Kenntnisse des Wirtschaftslebens waren erstaunlich beschränkt. Sie studierte nie Volkswirtschaft oder kümmerte sich um Marktkurven. Die Tomorrow AG besaß in ihrem New Yorker Büro nicht einmal einen Börsentelegrafen. Und trotzdem war Mutter um 1975 herum die höchstbezahlte Frau der Vereinigten Staaten.
1976, während der Weihnachtsferien, die ich mit Mutter auf Skyridge verbrachte, lehnte Mutter einen Dreijahresvertrag mit Lloyd in London ab. Ich wußte es, weil ich die Papiere, die sie zerrissen hatte, wieder aus dem Papierkorb holte. Das vorgeschlagene Jahresgehalt war achtstellig. Ich wußte, daß sie viel Geld verdiente – aber ich wußte auch, daß dies ein einmaliges Angebot war. Ich stellte sie zur Rede.
»Ich kann keinen Dreijahresvertrag annehmen«, erklärte sie. »Ich könnte nicht einmal einen Einjahresvertrag annehmen. Denn nächsten Monat möchte ich mich von den Geschäften zurückziehen.« Sie sah über mich hinweg zum Wald hinüber. Sie konnte meinen Gesichtsausdruck nicht lesen. Sie murmelte: »Hast du gewußt, daß dein Mund jetzt ziemlich lange offenstand?«
»Aber du kannst dich nicht zurückziehen!« schrie ich ihr entgegen. Ich hätte mir hinterher die Zunge abbeißen können. Mein Protest war ein Eingeständnis, daß ich sie beneidete und daß ich mich in ihrem Glanz sonnte. Nun, sie hatte es vermutlich ohnehin gewußt.
»Gut«, meinte ich gleichgültig, »du ziehst dich also zurück. Und wohin? Was wirst du anfangen?«
»Oh, ich glaube, ich werde hier auf Skyridge bleiben.« Sie sagte es ganz fröhlich. »Ich werde alles neu herrichten, und das kann Monate dauern. Zum Beispiel die Gießbäche unter dem Balkon. Sie stören mich schon lange. Vielleicht lenke ich den Bach in ein neues Bett. Das Geräusch des fließenden Wassers ist mir nicht angenehm. Und dann das ganze Gestrüpp da draußen. Ich dachte daran, alles wegzuschaffen und einen kleinen Landeplatz zu bauen. Man weiß nie, ob man nicht einmal per Hubschrauber besucht wird. Ach ja – und das Heu. Ich glaube, wir sollten uns irgendwo einen Heustock anlegen. Heu hat so einen angenehmen Geruch – so anregend, wie man sagt.«
»Mutter!«
Sie runzelte die Brauen. »Aber wo könnte ich das Heu nur hintun?«
Ich
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