9 SCIENCE FICTION-STORIES
entschuldigen. Aber es war die Art der Durchführung, die mir das Fach so gründlich verleidete. Damals jedenfalls. Mutter ließ sich auf keine der modernen Methoden des Geschichtsstudiums ein. Für Mutter gab es keine Analyse der Tendenzen und keine Zusammenschau internationaler Ereignisse. Meine zu entschuldigenden Lehrer wurden dafür bezahlt, daß sie mich jede Schlagzeile der New York Times bis zu dem Zeitpunkt auswendig lernen ließen, zu dem Counterpoint den Preakness gewonnen hatte – und das war wenige Monate vor meiner Geburt geschehen. Für dies und nichts anderes. Man schaltete sogar ein paar Experten für Gedächtnisübungen ein, die mir meine tägliche Ration verdauen halfen.
So war es mir egal, ob es der eigentliche Grund war, mich zum Studium in die Schweiz zu schicken oder nicht. Ich war heilfroh, dem Auswendiglernen von Schlagzeilen entkommen zu sein.
Aber ich greife den Ereignissen vor.
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen war eine große Party, die meine Mutter in Skyridge, unserem Landhaus, gab. Ich war sechs Jahre alt. Es war die Nacht nach Roosevelts Wiederwahl. Von all den befragten Hellsehern und Experten hatte nur Mutter richtig geraten. Sie und das Dutzend Firmen, die ihre Vorhersagen veröffentlichten. Ich sollte oben schlafen, aber das Gelächter und Singen weckte mich, und so ging ich nach unten und feierte mit. Niemand kümmerte sich darum. Jedesmal, wenn ein Mann Mutter umarmte und küßte, packte ich ihn am Arm und schrie: »Er gehört mir !«
Meine Methoden änderten sich im Laufe der Jahre. Meine Einstellung blieb.
Glaubst du, daß es ihr auch nur das geringste ausmachte?
Pah!
Je mehr ich ihr wegzunehmen versuchte, desto mehr schien sie sich darüber zu amüsieren. Sie konnte schallend über meine Bemühungen lachen. Wie kann man so etwas bekämpfen? Ich wurde nur um so wütender.
Du denkst vielleicht, ich hatte nicht das geringste Recht, so etwas zu tun. Aber das stimmt nicht.
Ich rechtfertigte mein Tun mit einem Gedanken: Sie liebte mich nicht.
Ich war ihr Fleisch und Blut, aber sie liebte mich nicht. Vielleicht mochte sie mich ganz gern, auf ihre lauwarme Art, aber in ihrem Innern war keine echte Liebe für mich. Und ich wußte es und haßte sie und versuchte, alles, was ihr gehörte, wegzunehmen.
Wir müssen ein komisches Paar abgegeben haben. Sie redete mich nie mit meinem Namen oder auch nur mit dem Personalpronomen an. Niemals sagte sie Dinge wie: »Liebling, könntest du mir den Toast reichen?« Statt dessen bekam ich ein: »Kann ich den Toast haben?« zu hören.
Es war, als betrachte sie mich als ein Glied von sich selbst, einen Arm vielleicht, der kein unabhängiges Leben führen konnte. Es war kränkend.
Andere Mädchen hatten vor ihren Müttern Geheimnisse. Ich konnte vor meiner Mutter nichts Wichtiges verbergen. Je mehr ich etwas verbergen wollte, desto sicherer wußte sie es. Das war ein weiterer Grund, weshalb ich es nicht schlimm fand, in die Schweiz geschickt zu werden.
Ich war sicher, daß sie nicht in meinem Innern lesen konnte. Um Telepathie handelte es sich bestimmt nicht. Sie kannte nicht die Telefonnummern, die ich auswendig gelernt hatte, und wußte auch nicht die Namen der fünfundzwanzig Fußballspieler der County-Liga. Alltägliche Dinge wie diese drangen im allgemeinen nicht zu ihr durch.
Und mit Telepathie könnte man auch nicht erklären, was sich in jener Nacht abspielte, als sich mein Wagen an der Haarnadelkurve von Sylvania überschlug. Es waren ihre Hände, die mich aus dem zersplitterten Fenster zogen. Sie hatte am Straßenrand gewartet. Kein Ambulanzwagen – einfach meine Mutter. Sie hatte gewußt, wo und wann es geschehen und daß mir nichts
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