9 SCIENCE FICTION-STORIES
gesehen hat, auch nicht vermissen. Aber derjenige, der diese Theorie aufstellte, hatte mich nicht gekannt. Mir fehlte mein vermißter Vater, als ich ein winziges Baby, ein storchenbeiniges Mädchen mit abstehenden Zöpfen und eine junge Dame in einer höheren Töchterschule in der Schweiz war.
Mutter machte es noch schlimmer. In unserem Haus waren Männer nie Mangelware, aber mit mir wollten sie nichts zu tun haben. Und das war ihr Fehler. Mutter sah hinreißend aus und zog die Männer unwiderstehlich an.
Mit zehn konnte ich genau sagen, was sie dachten, wenn sie sie ansahen. Als ich zwanzig war, hatten sich ihre Blicke immer noch nicht geändert.
Um diese Zeit war es auch, daß sie sich einen festen Liebhaber nahm und ich, von Haß und Entsetzen erfüllt, von ihr floh.
Ich finde nichts Besonderes dabei, wenn eine Tochter ihre Mutter haßt. Nur bei mir geschah es etwas heftiger als üblich. Den ganzen Haß, den ich aufgespeichert hatte, seit ich in den Windeln lag, ließ ich ah ihr aus.
Man erzählte, daß ich mich als Säugling weigerte, an ihrer Brust zu trinken. Ein ausgesprochenes Flaschenkind. Es war, als hätte, ich dadurch der Welt erklären wollen, daß ich nicht gewöhnlich auf die Welt gekommen war und daß diese Frau, die sich meine Mutter nannte, es in Wirklichkeit gar nicht war.
Wie du sehen wirst, hatte ich damit nicht einmal so unrecht.
Ich hatte schon immer das verrückte Gefühl, daß alles, was sie besaß, von Rechts wegen hätte mir gehören müssen und daß sie mir meinen Anteil vorenthielt.
Natürlich hatten wir den gleichen Geschmack. Diese Gleichheit prägte sich immer tiefer aus, je älter ich wurde. Was sie besaß, betrachtete ich als mir gehörig, und im allgemeinen versuchte ich auch, es ihr zu nehmen. Das traf besonders auf Männer zu. Mutter nahm sie zwar nie ernst (bis auf den letzten), aber das Ärgerliche dabei war doch, daß sie mich einfach übersahen. Bis auf den letzten.
Mutters Bereitwilligkeit, mir jeden ihrer Freunde zu überlassen, schien zwangsläufig mit sich zu bringen, daß sie keinerlei Lust verspürten, mir überlassen zu werden (bis auf den letzten).
Du glaubst vielleicht, das kam alles daher, daß ich keinen Vater hatte und im Unterbewußtsein ihren jeweiligen Freund als Vaterersatz ansah. Wenn du willst, kannst du es so erklären. Auf alle Fälle war es (bis auf die eine Ausnahme) immer das gleiche. Je lieber sie ihn losgeworden wäre, desto mehr sträubte er sich dagegen, etwas mit mir zu tun haben zu wollen.
Aber auf die Männer wurde ich nie wütend. Nur immer auf sie. Manchmal, wenn ich eine besonders schroffe Abfuhr erlitten hatte, sprach ich tagelang nicht mit ihr. Sogar ihr Anblick drehte mir den Magen um.
Mit siebzehn schickte sie mich auf den Rat eines Psychiaters in ein Internat in der Schweiz. Der Psychiater vertrat die Meinung, daß ich den schlimmsten Elektra-Komplex der ganzen Medizingeschichte hätte, obwohl ich nicht die geringsten Gründe dazu hätte. Er sagte, er hoffe nur, mein Vater sei wirklich tot, denn wenn er lebend auftauche … Hm, man sah ihm deutlich an, was er bei dieser Aussicht dachte.
Der äußere Grund für meine Reise in die Schweiz war, mir eine anständige Erziehung zu geben. Ich war siebzehn und konnte noch nicht einmal multiplizieren. Ich wußte nur eines – meine Mutter nannte es ›Schlagzeilen-Geschichte‹. Sie hatte mich aus der Public School herausgeholt, als ich erst in die zweite Klasse ging, und bestellte eine ganze Herde von Privatlehrern, die mich in Zeitgeschichte unterrichten sollten. Wenn man bedachte, daß sie ihren Lebensunterhalt damit verdiente, Zeitgeschehnisse vorauszusagen, bevor sie aktuell wurden, kann man ihre Erziehungsmethoden vielleicht
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