9 SCIENCE FICTION-STORIES
Der Mann, der ihn benutzte, mußte jede Bequemlichkeit haben. Es dürfte ihm an nichts fehlen. Vor allem durfte er sich nicht aufregen oder ärgern. Sein Gehirn war einzig und allein dazu da, die Lage abzuschätzen und eine Entscheidung zu treffen. Nichts durfte dieses Gehirn ablenken. Die Grundlage dazu war physisches Wohlbefinden – und der Stuhl sorgte dafür. French spürte das weiche Anschmiegen der Polster.
Als er die Instrumente überprüfte, überkam ihn wieder dieses Gefühl des Losgelöstseins. Theoretisch war er dem Präsidenten und dem Generalstab verantwortlich, aber praktisch konnte er frei entscheiden. Nur seine Hand konnte die Vergeltungsmaschinerie in Gang setzen. Ohne seine Erlaubnis konnte weder eine Langstrecken- noch eine Mittelstreckenrakete die Abschußrampe verlassen. Er war die letzte Autorität, der höchste Richter und der Henker, wenn es sein mußte – eine Bürde, die man ihm nach jahrelanger, eingehender Prüfung auferlegt hatte. In diesem Raum war er einem Gott näher als jeder andere Mensch seit der Erschaffung der Welt.
French zuckte mit den Schultern und berührte eine der weißen Tasten auf dem Schaltbrett.
»Ja, Sir?« hörte man eine fragende Stimme aus einem der Lautsprecher.
»Eine Zeitschrift und eine Tasse Kaffee«, sagte General French.
»Was für eine Zeitschrift, Sir?«
»Etwas Leichtes – vielleicht eine Illustrierte. Ich verlasse mich auf Ihre Wahl.«
»Jawohl, Sir.«
French grinste. Jetzt würde man sich in der Zentrale erzählen, daß der Alte heute gut gelaunt sei. Eine Tasse Kaffee kam aus einem Schacht in der Armlehne, und die Zeitschrift schob sich in einen Schlitz seitlich des Stuhls.
French blätterte in der Illustrierten und schlürfte seinen Kaffee. General Craig würde ihn in weniger als acht Stunden ablösen. Dann konnte er den Rest des Tages genießen. Er hoffte, daß der Sonnenuntergang ebenso schön war wie der Aufgang.
Er warf einen Blick auf die Zentraluhr. Die Zeiger standen auf acht Uhr siebzehn …
Auf Station Zwei der Verteidigungslinie standen die Uhrzeiger auf zwölf Uhr siebzehn. Es war Mittag. Dennoch herrschte draußen Dunkelheit. Nur im Süden zeigte ein schwaches Leuchten den Kampf der Wintersonne gegen die Dunkelheit. Die Luft war klar, und die Sterne leuchteten aus dem blauschwarzen Himmel der Polargegend.
Ein Radartechniker beugte sich über seinen Schirm und versteifte sich. »Fremder Flugkörper!« bellte er. »Azimut 0200. Nähert sich sehr schnell.«
Der Flugkörper kam über den Nordpol herein und drang schräg durch die zähen Schichten der oberen Atmosphäre ein. Die Gase rieben an seinen metallischen Flanken und entzündeten sie. Flammen sprangen auf und bildeten einen leuchtenden Schweif. Er kam mit rasender Geschwindigkeit näher und war über die Station hinweggejagt, bevor der Radartechniker den allgemeinen Alarm auslösen konnte.
Radarsuchgeräte richteten sich auf das Ziel ein. Elektronenrechner bestimmten seine Größe, Geschwindigkeit und Flugbahn und gaben die Daten an die Abfangraketen weiter, die in diesem Sektor stationiert waren.
»Einstellung fertig«, rief einer der Schützen gelangweilt.
»Zweifacher Abschuß.« Er lächelte. Der Russe versuchte es wieder einmal. Dieses Hin und Her von Lenkwaffen war schon etwas Alltägliches geworden. Man testete das feindliche Abwehrnetz. Wenn es eine Rakete schaffte, folgten vielleicht weitere. Vielleicht auch nicht. Es war eine der vielen Taktiken des kalten Krieges.
Meilen entfernt jagten zwei Geschosse mit flammenden Antrieben von ihren Rampen. Der Schütze wartete einen Augenblick. Dann begann er zu fluchen.
»Daneben, verdammt! Sieht so aus, als
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