9 SCIENCE FICTION-STORIES
schwindlig wurde.
Wieder eine Wolke.
Dann geschah alles so überstürzt, wie man es gar nicht erzählen kann.
Etwas Dunkles kam von oben auf mich zu. Ich spürte einen heftigen Schlag gegen die Brust. Erst sehr viel später merkte ich, daß es Machts Arm war, der mich festzuhalten versuchte, bevor wir über den Rand hinaus jagten. Dann tauchte ich mit Virginia in der nächsten Wolke unter. Ein zweiter Schlag traf mich. Der Schmerz war entsetzlich. Ich hatte noch nie im Leben etwas Ähnliches gefühlt. Aus irgendeinem Grund war Virginia über mich gefallen und lag nun vor mir. Sie zerrte an meinen Händen.
Ich wollte ihr sagen, daß sie aufhören sollte, weil es schmerzte, aber ich mußte um Atem kämpfen. So gab ich nach. Ich versuchte das zu tun, was sie von mir wollte. Langsam schob ich mich auf sie zu. Erst dann merkte ich, daß unter meinen Füßen nichts war – keine Brücke, keine Düsenbahn, nichts.
Ich befand mich am Rand des Boulevards, am abgebrochenen Ende des oberen Teils. Unter mir war nichts als ein Kabelgewirr, und viel, viel tiefer noch ein winziges Band, das ein Fluß oder eine Straße sein mochte.
Wir waren blindlings über den großen Abgrund gesprungen, und ich war mit der Brust am oberen Ende der Straße aufgeschlagen.
Der Schmerz war mir gleichgültig.
In kürzester Zeit würde der Roboterarzt bei mir sein und mich heilen.
Ein Blick in Virginias Gesicht zeigte mir, daß es keinen Roboterdoktor gab, keine Welt, keine Instrumentalität, nichts. Nichts als Wind und Schmerz. Sie weinte. Nur mühsam konnte ich verstehen, was sie sagte: »Ich habe es getan. Ich habe es getan. Liebling, bist du tot?«
Keiner von uns wußte genau, was »tot« bedeutete, denn die Menschen gingen einfach nach Ablauf ihrer Zeit dahin. Aber wir wußten, daß es das Ende des Lebens bedeutete. Ich wollte ihr sagen, daß ich lebte, aber sie hörte nicht und zerrte mich noch weiter vom Abgrund weg.
Schließlich stützte ich mich auf und setzte mich. Sie kniete neben mir und bedeckte mein Gesicht mit Küssen.
Nach langer Zeit brachte ich mühsam einige Worte hervor. »Wo ist Macht?«
Sie blickte zurück. »Ich sehe ihn nicht.«
Auch ich wollte mich umsehen. Aber das ließ Virginia nicht zu. »Bleib ruhig liegen«, sagte sie. »Ich sehe noch einmal nach.«
Tapfer wagte sie sich bis an den Rand des abgeknickten Boulevards vor. Sie sah hinüber zum tieferen Ende des Spalts. Wolken zogen vorbei wie Rauch, der von einem Ventilator angetrieben wird. Er nahm ihr die Sicht. Doch dann rief sie: »Ich sehe ihn. Er sieht so komisch aus. Wie ein Insekt im Museum. Er klettert über die Kabel weiter.«
Ich kroch auf Händen und Knien zu ihr hin und sah ebenfalls nach unten. Da unten war er, ein Punkt, der sich auf einem winzigen Pfad entlangbewegte. Unter ihm flatterten die großen Vögel mit ihren schweren Schwingen. Er sah sehr gefährlich aus. Vielleicht hatte er nun all die »Angst«, die er brauchte, um glücklich zu sein. Ich sehnte mich nicht nach dieser »Angst«, was sie auch sein mochte. Ich sehnte mich nach Essen, Wasser und einem Roboterarzt.
Und nichts davon war hier oben zu finden.
Ich kam mühsam auf die Beine. Virginia wollte mir helfen, aber ich stand, bevor sie auch nur meinen Ärmel berührt hatte.
»Gehen wir weiter.«
»Weiter?« fragte sie.
»Zum Abba-dingo. Vielleicht sind die Maschinen dort oben freundlich. Hier ist nichts als Kälte und Wind. Nicht einmal die Lichter wurden eingeschaltet.«
Sie legte die Stirn in Falten. »Aber Macht …?«
»Es kann Stunden dauern, bis er hier ankommt. Bis dahin sind wir wieder zurück.«
Sie gehorchte.
Wieder gingen wir links am Boulevard entlang. Ich befahl ihr, sich ganz fest an mich zu klammern, während ich von einem an den anderen Pfosten schlug. Bestimmt gab es eine Hilfe für die Pilger, die zum Abba-dingo unterwegs waren. Oder es
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