9 SCIENCE FICTION-STORIES
anderes Tier vor Macht. Ich sandte ihm meinen Dank entgegen und wandte meine Aufmerksamkeit Macht zu.
Wir starrten einander an. War das nun Kultur? Waren wir jetzt Menschen? Schließt Freiheit immer Mißtrauen, Furcht oder Haß ein? Ich mochte diesen Mann nicht. Er stieß mich ab. Die Worte für längst vergessene Verbrechen kamen mir in den Sinn: Attentat, Mord, Entführung, Raub, Vergewaltigung, Wahnsinnstat …
Wir hatten keinen dieser Ausdrücke gekannt, und doch fühlte ich sie alle.
Er sprach ruhig mit mir. Wir hatten uns beide telepathisch abgeschirmt, so daß niemand unsere Worte mithören konnte. Also blieb uns nur die Empathie und das Französisch. »Es war Ihr Gedanke«, sagte er, und das stimmte nicht. »Oder zumindest der der jungen Dame.«
»Ist die Lüge bereits in die Welt gekommen?« fragte ich. »Und gehen wir hinauf zu den Wolken, ohne einen Grund zu haben?«
»Es gibt einen Grund«, erklärte Macht.
Ich schob Virginia sanft zur Seite und schirmte mein Inneres stark ab.
»Macht«, sagte ich, und mir selbst klang meine Stimme wie das Fauchen eines Tieres, »sagen Sie mir, weshalb Sie uns hierherbrachten, oder ich bringe Sie um.«
Er wich nicht zurück. Er sah mich an, bereit zum Kampf. »Umbringen?« sagte er. »Sie meinen damit, daß Sie mich töten werden?« Angst schien er nicht zu kennen. Keiner von uns hatte je gekämpft, aber jetzt bereitete er sich auf die Verteidigung vor und ich mich auf den Kampf.
Durch meinen Schutzschild drang der Gedanke eines Tieres: Gutermann, Gutermann, nimm ihn an der Kehle keine Luft aaah keine Luft aah wie zerbrochenes Ei Ei Ei …
Ich nahm den Rat an, ohne mir darüber Gedanken zu machen, woher er kam. Ich ging zu Macht hinüber, legte meine Hände um seine Kehle und drückte zu. Er versuchte meine Hände wegzustoßen. Als ihm das nicht gelang, trat er nach mir. Ich hielt nur seine Kehle umkrampft. Wenn ich ein Lord oder ein Captain gewesen wäre, hätte ich mehr vom Kämpfen verstanden. Aber so wußte ich nicht Bescheid, und er auch nicht.
Es war zu Ende, als ein plötzliches Gewicht an meinen Händen zog. Überrascht ließ ich los. Macht war bewußtlos geworden. War das der Tod?
Nein, er konnte es nicht sein, denn Macht setzte sich auf. Virginia lief zu ihm hinüber. Er rieb sich den Hals und sagte mit heiserer Stimme: »Das hätten Sie nicht tun sollen!«
Das gab mir Mut. »Sagen Sie mir, weshalb Sie uns hierherbrachten«, schleuderte ich ihm entgegen. »Oder ich tue es noch einmal.«
Macht grinste schwach. Er lehnte seinen Kopf gegen Virginias Arm. »Es ist Angst«, sagte er. »Aus Angst.«
»Angst?« Ich kannte das Wort – peur – aber nicht seine Bedeutung. War es eine Art Unruhe oder Erschrecken, wie es die Tiere zeigten?
Ich hatte meinen Schutzschild geöffnet. Macht gab mir telepathisch Antwort: Ja.
»Aber weshalb gefällt Ihnen dieses Gefühl?« wollte ich wissen.
… Es ist herrlich, dachte er. Es bereitet mir Übelkeit und Schwäche und Erregung. Es ist wie eine starke Medizin, fast so stark wie die Lebensspritze, die uns die Instrumentalität immer verabreichte. Ich war schon einmal oben. Ganz hoch droben hatte ich große Angst. Es war herrlich und gut und schlecht zugleich. Ich durchlebte tausend Jahre in einer Stunde. Ich wollte noch mehr davon, aber ich dachte, daß es mit anderen Menschen zusammen noch aufregender sein müßte.
»Jetzt töte ich Sie«, sagte ich auf Französisch. »Sie sind sehr – sehr …« Ich mußte erst nach dem Wort suchen. »Schlecht.«
»Nein«, widersprach mir Virginia, »laß ihn weitersprechen.«
Er bemühte sich nicht um Worte, sondern sandte mir seine Gedanken zu. Das war es, was uns die Lords der Instrumentalität immer versagten: Angst. Wirklichkeit. Wir wurden unwissend geboren, und wir starben in einem Traum. Selbst die Untermenschen, die
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