9 SCIENCE FICTION-STORIES
Kolonisationsbüros erhalten.
Es war ein ganz normaler Tag, der neunte Oktober 2116. Nichts Außergewöhnliches passierte. Nichts als die üblichen Geburten, Todesfälle … Und die Ziehungen.
Und in New York, an diesem wundervollen Oktobertag, kam David Mulholland, der Präsident des Kolonisationsbüros, um Punkt neun Uhr in sein Büro: wenn auch nicht sonderlich begierig, so war er doch bereit, seine Routine-Angelegenheiten zu erledigen.
Bis zum Ende der Arbeitszeit um vierzehn Uhr würde er das Entwurzeln von hundert Leben veranlaßt haben, das wußte er. Er versuchte, es nicht von der Seite zu betrachten. Er richtete seine Gedanken auf den Slogan, der, auf blau-gelbe Fähnchen gemalt, überall zu sehen war: der Slogan des Kolonisationsbüros.
Tu das Deine zum Schicksal der Menschheit.
Aber das Übel war, wie Mulholland nie vergessen konnte, daß die große Menschenmasse nur sehr geringes Interesse am Schicksal der Menschheit zeigte.
Er betrat das Büro und wurde mit warmen Lächeln von Gehilfen und Stenotypistinnen und Sekretärinnen begrüßt, als er an ihren Abteilungen vorüberging. Präsident Mulholland wurde von jedermann im Büro mit übertriebener Aufmerksamkeit behandelt. Die meisten der Angestellten waren so naiv zu glauben, Präsident Mulholland könnte ihre Freistellung von der weltumfassenden Lotterie veranlassen, wenn er nur wollte.
Sie irrten sich natürlich. Niemand war befreit, der den Anforderungen entsprach. War ein Mensch im Alter zwischen neunzehn und vierzig Jahren, der Gesundheitsgrad mindestens plus fünf oder besser und der Feldman-Fruchtbarkeitstest positiv, mußte er dorthin gehen, wohin man ihn abberufen hatte, im Namen des Schicksals der Menschheit. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen, war man einmal erfaßt. Außer, natürlich, man konnte beweisen, daß der Komputer etwas übersehen hatte, wodurch man disqualifiziert war.
Das letzte Kind einer Familie, die vier oder mehr Kinder durch die Auswahl verloren hatte, war befreit. Mütter von Kindern unter zwei Jahren waren befreit. Sogar Mütter von Kindern unter zehn Jahren wurden verschont, waren ihre Ehegatten erfaßt worden und hatten sie nicht wieder geheiratet. Ein Mann, dessen Frau ein Kind erwartete, war berechtigt, seine Abreise um zehn Monate zurückstellen zu lassen. Es gab noch ein halbes Dutzend mehr solcher Ausnahmen. Aber, wie immer auch die Situation aussehen mochte, sechzig Schiffe mit sechstausend Menschen insgesamt verließen täglich die Erde. Etwa zwei Millionen Erdbewohner flogen jedes Jahr ab zu den Sternen.
Zwei Millionen von sieben Milliarden. Schrumpfte die Zahl der Geeigneten auch auf nur dreieinhalb Milliarden zusammen, so war die Möglichkeit, daß der unbarmherzige Finger auf deine Schulter tippen würde, noch immer sehr gering: eins zu eintausendachthundert.
Tu das Deine zum Schicksal der Menschheit stand auf der blaugelben Tafel, die hinter Präsident Mulhollands Schreibtisch hing. Er schaute hin, ohne sie zu sehen, und setzte sich nieder. Papiere hatten sich bereits angehäuft. Ein weiterer Tag war zu bewältigen.
Seine übereifrige Sekretärin hatte bereits den Kalender gerichtet, den Schreibtisch abgestaubt, die Papiere geordnet. Miß Thorne versuchte offensichtlich, sich dem Präsidenten unentbehrlich zu machen, um einen Schutzwall zu schaffen gegen den ständig drohenden Tag, an dem der Komputer ihre Nummer wählen könnte. Manchmal war er versucht gewesen, ihr zu sagen, daß kein Sterblicher, auch nicht ein Präsident, Einfluß auf das Schicksal hätte. Dieses lag einzig und allein in den Händen
Weitere Kostenlose Bücher