9 SCIENCE FICTION-STORIES
Kolonie bestehen.
Aber dafür war auch später Zeit, dachte er. Denn man macht Leute nicht in einer Minute oder in zehn Minuten »sehend«. Das konnte Tage in Anspruch nehmen – oder ein ganzes Leben.
Auf eine Weise, dachte Dawes, war es gut, daß die Kolonie etwas wie diese Fremden hatte, die draußen lauerten. 5ie würden ihr lebenslängliches, sichtbares Gewissen sein; Haß würde in der Kolonie schon aus Angst vor den Fremden draußen nicht aufkommen.
Er wandte sich ab. Plötzlich verspürte er den Wunsch, mit sich allein zu sein – mit seinem neuen Ich, das aus der Höhle gekommen war. Irgend etwas war in jenen fünf Tagen herangewachsen, nicht nur der flaumige Bart, der seine Wangen bedeckte. Irgend etwas anderes.
Er verstand nun, warum diese Auswahl notwendig war, warum die Saat der Erde von Welt zu Welt getragen werden mußte. Und zwar deshalb, weil die Sterne existierten, und weil es in der Natur des Menschen lag, auszuziehen, um über sich hinauszuwachsen, sich zu ändern. Wie auch er sich geändert hatte in jenen wenigen Tagen in der Höhle.
Es waren Tage der Abhärtung für ihn gewesen. Nicht länger mehr erfüllte ihn zornige Verstimmung; nicht länger mehr haßte er diese Menschen-Lotterie und ihre ausführenden Organe. Er vergab ihnen. Mehr noch: er bewunderte sie und bemitleidete sie, weil sie an diesem größten aller menschlichen Abenteuer nicht teilnehmen konnten.
In der Dämmerung wanderte Dawes weg von der Gruppe, seinem Seifenblasen-Heim zu, von dem ihn die Fremden weggeholt hatten. Carols Koffer und seiner lagen noch immer halb offen am Boden. Niemand war hier gewesen seit jenem Überfall.
Er schüttelte die Decke ab, nahm Wäsche aus dem Koffer und kleidete sich langsam an. Lange Zeit stand er nachdenklich da. Keiner von ihnen war der gleiche geblieben – nicht Noonan, der zum erstenmal in seinem Leben auf ein Problem gestoßen war, das er nicht mit den Fäusten lösen konnte; oder Carol, die scheu und unberührt in die Höhle gegangen und ganz verändert herausgekommen war; oder Cherry, deren harte Schale aufgebrochen war, um ihm Zärtlichkeit zu schenken, die er für Verrat gehalten hatte.
Aber Dawes wußte, daß er sich am meisten verändert hatte, und doch wieder nicht. Jenes Ding, das bereits in ihm schlummerte, die Neugier, der strebende Geist – jetzt war es erwacht und arbeitete zum erstenmal wirklich. Wie falsch war es gewesen, von jener toten Existenz in einem netten Ohio-Haus, mit einer netten Ohio-Frau und seinen netten Ohio-Kindern zu träumen! Er wurde sich bewußt, daß er noch einmal hinausgehen wollte in die Wildnis, um die Fremden wiederzusehen. Um herauszufinden, warum sie so waren, wie sie waren; was sie sich von den Gefangenen in der Höhle erwartet, wie sie ihr Benehmen aufgenommen hatten. Millionen Rätsel gab es auf Osiris. Und durch das Wunder der Lotterie war er hierhergekommen, um diese Rätsel zu lösen.
Ich bin jetzt anders.
Dem gerecht zu werden, war nicht leicht. Auf Carols Koffer blickend, erinnerte er sich, daß sie noch immer seine Frau war. Er mochte sie nicht mehr. Der Knabe Mike Dawes war von ihrer Unschuld und Schüchternheit beeindruckt gewesen, aber dieser Knabe existierte nicht mehr. Er brauchte jemand Zuverlässigeren, jemanden, der Freud und Leid mit ihm teilen würde, der nicht ständig nur ihm die Entscheidungen überließ.
Irgend jemand klopfte.
»Herein«, sagte Dawes.
Es war Cherry.
Sie wirkte aufgeregt und verwirrt.
»Du gingst weg, ohne auch nur ein Wort zu sagen«, stotterte sie. »Ist alles in Ordnung, Mike?«
»Ich wollte nur nachdenken. Ich mußte ein wenig mit mir allein sein. Mir fehlt wirklich nichts.«
Sie schaute ihn ernst an, blickte dann zur Seite und sah die beiden
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