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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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Hemdtasche und beobachtete, wie die Empfangsbalken am Rand des Displays erst abnahmen und dann ganz verschwanden. Er nahm das Headset vom Kopf und stopfte es zusammen mit dem Handy in seine Tasche.
    Es war ein seltsames Gefühl, plötzlich nicht mehr überwacht zu werden, aber aus irgendeinem Grund ließ die Panik nicht nach. George wurde von Unentschlossenheit gequält. War jetzt der richtige Zeitpunkt, der Polizei zu melden, in welcher furchtbaren Lage er sich befand? Nachdem er wie üblich die Hauptbeleuchtung in der Fahrerkabine ausgeschaltet hatte, damit er im Tunnel besser sehen konnte, griff er nach dem Funkgerät auf dem Steuerpult. Genau in dem Moment, als seine Finger es berührten, hörte er ein unerwartetes Geräusch. Jemand öffnete die Tür zum Führerhaus.
    08.15 Uhr
    U-Bahnhof Leicester Square, Bahnsteig der Northern Line, nördliche Fahrtrichtung
    Er liebte den Regen in den walisischen Bergen. In Louisiana war der Regen anders, heftig und reinigend, manchmal sogar von biblischen Ausmaßen, wie beim Hurrikan Katrina vor einigen Jahren. Auch in Wales konnte der Regen stark sein, aber am liebsten war ihm das sanfte Nieseln, das oft den ganzen Tag andauerte.
    Während Bruder Varick von der Glaubensgemeinschaft Cruor Christi im U-Bahnhof Leicester Square am Bahnsteig wartete, fragte er sich, ob er den walisischen Regen je wieder auf seinem Gesicht spüren würde. Wenn es doch nur an diesem Tag geregnet hätte, das hätte alles weniger schlimm gemacht! Doch auf Regen bestand wenig Hoffnung. Als er zusammen mit Bruder Alistair den U-Bahnhof betreten hatte, hatte die Sonne hoch am Himmel gestanden, und es war weit und breit keine Wolke zu sehen gewesen.
    Nachdem sie ihre Fahrkarten gekauft und hinunter auf den Bahnsteig der Northern Line gegangen waren, hatte Alistair die erste U-Bahn in südliche Richtung bestiegen, um sich auf die Suche nach den Kindern zu machen. Die beiden Männer hatten eine Mission. Am frühen Morgen waren sie gemeinsam im Landrover aufgebrochen, um Bruder Thomas und seine Mitstreiter von ihrer niederträchtigen Tat abzuhalten. Auf der Fahrt nach London war ihnen aufgegangen, dass einer von ihnen die Kinder des U-Bahn-Fahrers retten musste. Alistair war kein Mann für Heldentaten, aber diese Aufgabe konnte selbst er meistern, schließlich musste er die beiden einfach nur finden. Es war von größter Wichtigkeit, dass sie bei all den Menschenleben, die auf dem Spiel standen, die beiden jüngsten und unschuldigsten Opfer nicht vergaßen.
    Schwitzend hasteten die ein- und aussteigenden Fahrgäste um Varick herum, der unbeweglich auf dem Bahnsteig stand und über eine Ausgabe der Metro hinwegspähte, die er vorhin in der Schalterhalle mitgenommen hatte. Er tat so, als würde er lesen, während er das Führerhaus jedes Zuges, der in die Station rumpelte, genau unter die Lupe nahm.
    Varick wusste, dass sich in einem davon Bruder Thomas befand. Und er wusste auch, dass seine bewegungslose Anwesenheit auf dem Bahnsteig Verdacht erregen könnte. Er stand jetzt schon mindestens eine Stunde hier und beobachtete U-Bahnen.
    Wieder fuhr ein Zug in den Bahnhof ein, doch auch in dieser Fahrerkabine saß nur eine einzige Person. Varick wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass Bruder Thomas diese U-Bahn-Linie und diese Station im Visier hatte. Zumindest stand das in dem Plan, den Pater Owen in Bruder Thomas‘ Notizbuch gefunden hatte, eine Entdeckung, die ihn das Leben gekostet hatte. Also stand Varick da und harrte aus. Seine Geduld würde belohnt werden. Er war sich sicher, dass Tommy Denning nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

08.19 Uhr
    Zug Nummer 037 der Northern Line, Fahrerkabine
    Die Vorschriften der Londoner U-Bahn-Betriebe sehen vor, dass das Personal die Fahrerkabinen nur während des Halts eines Zuges in der Station betreten darf, aber die Person, die gerade ins Führerhaus gekommen war, führte offenbar den Generalschlüssel für die J-Tür mit sich, die so hieß, weil sie wie ein J geformt war. Der Alarm wurde ausgelöst und piepste, bis das Schließen der Tür ihn wieder deaktivierte. Als George sich umdrehte, sah er einen schlanken, muskulösen Mann, der ganz in Schwarz gekleidet war und eine große Stofftasche dabeihatte. Er trug eindeutig nicht die Uniform der Londoner U-Bahn-Mitarbeiter, doch seine Bomberjacke verlieh ihm die Aura eines Nachtklub-Türstehers und ein halbwegs offizielles Aussehen. George hegte daher weiterhin die irrationale Hoffnung, dass es sich

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