~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
mir klar, warum es so schwer zu finden war. Bauarbeiten neben der Kirche und ein winziger Aushang am Haus sorgen dafür, dass man schon sehr genau hinschauen muss um das Gebäude als mögliche Herberge überhaupt erst in Betracht zu ziehen. Inzwischen war ich auf meiner Irrwanderung schon einkaufen und erwarte nun Katharina und Hanna wieder zu sehen, die auch hier Halt machen wollten. Nach Auskunft der Herbergsmutter sind diese jedoch noch nicht da und ich mache mir Sorgen, da Katharina einen kaputten Fuß hat. Ich hoffe sehr, dass sie nicht irgendwo auf der Strecke liegen geblieben sind und warte ungeduldig.
Zwischen meinen Gedanken fällt mir mein Ohrwurm von mittags wieder ein ‚Josephine’. Lange ist es her, dass ich dieses Lied gehört habe, noch länger, dass es mir ohne Grund in den Sinn gekommen ist. Verdammt viele Erinnerungen hängen tautropfenschwer daran . The stars dont shine so bright – dabei war heute ein so sonniger Tag. Wo das Lied auf einmal herkommt weiß ich nicht, eigentlich macht es keinen Sinn, es passt nicht so recht. Das Wetter hat die depressive Phase von gestern ganz und gar davon geschoben. Beinahe ist es schade, dass ich morgen nur knapp 19 Kilometer gehen werde, doch leider ist die Alternative 39 zu gehen - für mich - unmöglich.
Begegnungen des heutigen Tages: Hart arbeitende Ameisen, ein Kaffee-Verkäufer mitten im Niemandsland der Hochebene, ein altes Pilgerhospital, viele kleine Schnecken und blaue Schmetterlinge.
Wegen eines sehr intensiven Traums ist die Nacht unruhig.
07.09.08 20km nach Carrion de los Conde - Nebel, Hape, und die Frage nach echten Pilgern
Der Tag beginnt schleppend. Der Traum sitzt mir noch in den Knochen und im Magen. Zum ersten Mal habe ich Magenschmerzen, auch wenn sie nicht allzu lange anhalten ist es unangenehm damit zu laufen. Ich starte erst spät um 7:20 und es ist nebelig … so bleibt es auch fast den ganzen Tag. Ab und an sehe ich einen Schleier durch den Nebel hindurch, den Umriss eines Baumes. Überholen mich Pilger sind sie nach kurzer Zeit schon wieder verschwunden. Wie in einer Blase die mich von der restlichen Welt abschneidet fühle ich mich. Der Weg geht schnurgerade. Es ist unmöglich sich zu verlaufen.
Die erste Stadt auf dem Weg sehe ich erst als plötzlich vor mir ein Haus auftaucht. Ein wenig geisterhaft ist sie schon heute, die Welt in der ich mich bewege. Es ist kühl. Wieder einmal verschont mich die Meseta mit ihrer Hitze und zeigt ein anderes Gesicht als jenes, das alle zu kennen und fürchten scheinen. Kaffee und Süßes in einer Bar helfen nicht viel gegen Nebel, doch ich treffe Miguel wieder, der mir gestern einen schönen Kartentrick gezeigt hat. Bei ihm ist seine Freundin. Ich gehe mit ihnen, dann später wieder schneller, treffe Sophie, die aber schneller weitergeht als ich, dann Katharina und den Doktor. Ein Tag der Begegnungen.
Zum ersten Mal gibt es heute eine große Diskussion um Hape Kerkelings Buch (‚Ich bin dann mal weg‘). Es scheinen sich zwei Lager zu bilden. Die Meisten finden es gut und locker geschrieben, manche nennen es inhaltslos. Mir ist nicht ganz klar welchen Inhalt eine Biographie haben soll, die den Jakobsweg als Thema hat. Es ist nicht so, dass hier jeden Tag etwas passiert, dass mit Uhrzeit, Zahlen oder ähnlichem festgehalten werden kann. Aus der Hape-Diskussion wird bald eine was-ist-ein-echter-Pilger-Diskussion und ich muss unwillkürlich seufzen. Schon während meinen Vorbereitungen habe ich immer wieder in einem Pilgerforum diese und jene Vorurteile gegen bestimmte Pilger lesen müssen. Müssen es religiöse Gründe sein, aus denen man geht? Oder spirituelle? Aus einem anderen bestimmten Grund? Hin zu einem bestimmten Ort? Was ist mit denen die mit dem Bus fahren oder ein Taxi nehmen müssen? Oder mit denen die fast ohne Gepäck gehen, weil es ihnen nachgeliefert wird? Das Ziel scheint wichtig zu sein, dabei zu bestimmen ob man Pilger ist oder nicht. Jerusalem, Rom oder eben Santiago … und sicher noch andere Städte / Stätte mehr. Ich finde am wichtigsten die Einstellung gegenüber der Welt. Der berühmte Spruch ‚Ein Tourist fordert, ein Pilger dankt‘ ist sehr stimmig meiner Meinung nach. So kann ich mich in der Welt bewegen, fortbewegen, auch ohne konkretes Pilgerziel, auch im Alltag und doch, zumindest ein wenig, Pilgerleben beibehalten.
Ich frage mich immer und immer wieder warum sich so viele Menschen das Recht nehmen wollen zu bestimmen wer Pilger ist und wer
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