911
Sühnepredigten sowie umfassenden Lusteinbußen. Dabei bietet gerade der Luxus ideale Voraussetzungen für eine nachhaltige Nutzung. Wertvoll sind Konsumgegenstände, die potentiell die Qualität und Substanz haben, nicht nur die eigene Lebenszeit zu überstehen, sondern weitervererbt werden zu können. Je länger die Lebensdauer eines Produktes, umso besser wird die Ökobilanz. Der Sinn für Ästhetik und Luxus müsse gestärkt werden, »damit Wachstum nichtüber Mengen, sondern über Schönheit funktioniert«, wie der damalige Generalsekretär des Club of Rome, der Hamburger Uwe Möller, 2002 anmerkte. Wollen die reichen westlichen Länder eine Vorbildfunktion einnehmen, dann sollten sie Geld vor allem für wertbeständige Konsumgüter ausgeben. Durch eine Reparaturgesellschaft entstünden zudem neue Arbeitsplätze.
Nicht nur Haltbarkeit, sondern auch Ästhetik und Identifikation mit dem Produkt entscheiden, wie lange man es behält. Gekauft werden sollte stets so, dass alles weitervererbt werden könnte. Auch so entstehen ein Generationenvertrag und eine Verbundenheit mit den Ahnen, die über gemeinsame Werte und Herkunft auch einen ganz materiellen gemeinsamen Alltag beschreibt. Die Kommode des Großvaters, die Bilder der Oma und der Porsche 911 der Mutter machen Erinnerung authentisch.
Gegen die Verfallsdaten auf Billigprodukten setzen Luxushersteller auf die Verlängerung der Produktlebensdauer. Deshalb hat Porsche unter anderem nicht nur ein umfangreiches Garantiesystem eingeführt, sondern auch für Besitzer alter Porsches die Versorgung mit Originalteilen sichergestellt. Zudem kann jeder Porsche-Besitzer sein wie auch immer lädiertes Erbstück in die Classic-Werkstatt von Porsche nach Freiberg am Neckar bringen, um es dort reparieren zu lassen, ähnlich wie man jedes Hermès-Stück nach Paris zur Reparatur schicken kann. Luxus bedeutet, nicht weggeschmissen zu werden.
Will der Elfer ein ewiger Sportwagen bleiben, wird auch die Metamorphose hin zu einem ökologisch unbedenklichen Produkt fortschreiten. Eine grüne Entelechie des Elfers hat der Schriftsteller Ralf Bönt entwickelt. »Weil er bleibt«, so der gelernte Kfz-Mechaniker, »werden wir einen Elfer sehenmit einem Leergewicht von wenigen hundert Kilo, dezenten elektromagnetischen Kollektoren in Dach und Hauben, vier Elektromotoren an den Radlagern, perfekter Gewichtsverteilung durch die Batterien und null Emission auf der Kurzstrecke. Vielleicht sogar mit ausreichender statt albern überquellender Leistung. Wir treten ja in die Phase des intelligenten Fahrens.«
Der 996er
Der
Gezeichnete
Porsche ahnte, welche Erschütterungen der 996er in einem durch klare Linien und Konzepte definierten Weltbild auslösen musste. Unter dem Stichwort »Design« wird im Prospekt für den neuen Elfer ein therapeutischer Dialog (Oder ist es ein Fragment von Samuel Beckett?) vorweggenommen, der die Gemüter der Gusseisernen besänftigen soll.
Ist das ein 911?
Ja.
Aber der sieht ja etwas anders aus.
Ja.
Fährt er sich wie ein 911?
Ja.
Oder anders?
Ja.
Warum hat Porsche das gemacht?
Damit der 911 auch in 30 Jahren noch ein Klassiker ist.
Damit war Porsche inmitten einer philosophisch-semantischen Diskussion über den Konservatismus, von dem Franz Josef Strauß betonte, dass es nicht darum gehe, als Konservativer nach hinten zu blicken, sondern an der Spitze des Fortschritts zu marschieren. Das passte auch besser zum Lebensgefühl des Sportwagenfahrers. Doch die nostalgischen Beharrungskräfte waren durch den Traditionsbruch des 996ers traumatisiert. Wenn das der Preis für den Fortschritt war, um einen Klassiker marktfähig zu halten, würden sie diese Art von Fortschritt ablehnen. Die Elferisti bemühten dazu auch biologistische Vergleiche. Für den 993er-Besitzer Per Hinrichs war die DNA der Elfer von Generation zu Generation ordentlich vererbt worden, mit dem Ergebnis einer ordentlichen Ahnenreihe. Dagegen erschien der 996er wie eine Mutation durch kosmische Strahlen oder ein Blechtumor. »Während der 993er noch ein Sportwagen war, eng, klein und angemessen zickig«, so Hinrichs, »wuchs sich der 996er zur Geschäftsführerlimousine aus.« Zudem erschien der 996er für die Traditionalisten zu streberhaft, erfüllte er doch die Abgasnormen bis 2020 und hatte sogar ESP, in Zuffenhausen PSM getauft (Porsche Stability Management): »Eine elektronische Schleuderbremse für eine Heckschleuder.« Das sei wie Stützräder an einem Formel-1-Wagen. Auch der
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