911
Motorklang wurde kritisiert. Heiser röchelnd,hoch kreischend fahre der 996er mit seinen 17 zusätzlichen PS einem 993er davon. Aber das war egal. Der 993er gebe seinem Fahrer alle Chancen, das Ding bei Regen gegen die Leitplanken zu setzen, während der Neue sanft eingebremst werde. Die Liste der Vorbehalte ließe sich endlos fortsetzen. Selbst im Jubiläumsjahr 2013 wagt nur das britische Magazin »911 & Porsche World« die Prognose, dass seine Zeit kommen werde. »Inevitably good ones will start to rise in value. Get one now, we say.« In der deutschen Realität ist diese Vorstellung noch nicht angekommen. 2013 kann selbst ein scheckheftgepflegtes Coupé oder Cabrio mit wenigen Kilometern Laufleistung nur mit massiven Preisnachlässen verkauft werden – und oft genug an ziemlich komische Leute, die man eigentlich nicht so gerne in einem Elfer sehen mag. Und das, obwohl der 996er in den Pannenstatistiken des ADAC 2012 für seine Baujahre die Bestnoten vor allen anderen Fahrzeugen erhält. Wer in Zeiten des 991ers einen 996er fährt, tut dies, entweder weil er sich keinen anderen Elfer leisten kann oder weil er dessen Zuverlässigkeit schätzt, die ihn zum solidesten Auto dieser Baujahre macht, wie ADAC-Pannenstatistiken Jahr für Jahr beweisen. Einige wenige Stilikonen verstehen ihren Elfer auch als Stinkefinger auf vier Rädern gegen die versnobte Welt und die Seriennummernfetischisten. Er ist ein Gefährt der Rebellion gegen das zivilreligiöse Elfertum, eine Art heroische Ketzerei.
Der große Bruch I:
das Wasser
Am 31. März 1998 wurde in Zuffenhausen der letzte luftgekühlte Elfer montiert. Der Motor dazu, so raunt es in der Porsche-Gemeinde, wurde am 27. März gebaut. Wenn das stimmt, dann wäre dies für Traditionalisten ein doppelt trauriger Tag gewesen. Dass an diesem Freitag der Erfinder der Porsche-Sportwagen, Ferry Porsche, im Alter von 88 Jahren verstarb, hat dem Abschied von den luftgekühlten Elfern den Rang eines geradezu mythischen Bruchs verliehen. Den Außenstehenden kann die Bedeutung einer Kühltechnik für einen Sechszylinder-Boxer nur schwer erklärt werden. Es hat, wenn man mit Elfer-Freunden und -Verrückten spricht, viel mit der Wertschätzung von Traditionen zu tun, die nicht nur im Automobilbau durch die technischen Entwicklungen, den Zeitgeist und die Veränderung der Gesellschaft überall erodieren. Elfer-Freunde sind Traditionalisten, ohne dabei konservativ sein zu müssen, weilder Elfer stets ein Beweis dafür war, dass das Bewährte sich am aktuellen Leistungsstand messen will und nicht als Ehrenformation seiner eigenen Geschichte Sonderrechte beansprucht. Der Elfer war und ist im besten Fall beides: ein ebenso neues wie bewährtes Fahrzeug, etwas Historisches und Zukünftiges, etwas Erprobtes und Unerhörtes.
Dabei hatte das Festhalten an der Luftkühlung nicht nur traditionalistische Gründe bei Porsche. Volkswagen zahlte zwei Drittel des Porsche-Rennbudgets unter der Maßgabe, dass die Zuffenhausener nur mit Luftgekühlten siegen sollten. VW war mit dem Käfer noch Mitte der 60er Jahre Opfer jener Luftkühlmonokultur, die ihre Ursprünge in den ersten Plänen Ferdinand Porsches aus den 30er Jahren hatte. Die Porsche-Triumphe sollten beweisen, wie leistungsfähig und wegweisend eine vermeintlich überholte Technik sein konnte. Doch Ferdinand Piëch betont in seinen Memoiren, wie wenig Luftkühlung ein Dogma war, weder für ihn noch Ferdinand Porsche noch dessen Sohn Ferry. Das mit der Luftkühlung war ein Nebenprodukt der Geschichte, dem »durch die Tauglichkeit des Kübelwagens im Krieg« ein Mythos geschaffen wurde, der vom 356er zum Porsche-Prinzip umgedeutet wurde. »Die Kunden (sozusagen die Fans)«, bemerkt Piëch, »machten daraus eine Weltanschauung, wir Techniker waren eher neutral.« Diese Neutralität hatte Gründe. Denn mit Luftkühlung konnte etwas weniger Leistung erzielt werden, aber dafür waren luftgekühlte Autos leichter. Und genau jenes Ideal eines leichten, kompakten Sportwagens definierte von Anfang an sehr stark den lebensweltlichen Glutkern der Porsche-Kunden. Auch ein Ingenieurvirtuose wie Piëch hatte dafür ein Faible. In seinem Studium hatte er sich besonders für Leichtbausysteme aus der Flugzeugtechnik interessiert. Dass Porscheauch die aufwendigsten Hilfskonstruktionen bemühte, um die Nachteile der Luftkühlung zu kompensieren, reizte ihn wie einen Mathematiker eine knifflige Gleichung.
Als das erste Mal ein »Wasserkraftwerk« einen Porsche 911
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