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911

911

Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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antrieb, musste auf Seiten der Traditionalisten und treuesten Porschekunden umfassend aufgeklärt und mythisiert werden – im selben Atemzug. »Christophorus« bringt eine Art Sondernummer, die rückblickend wie eine Art Entschuldigung für die angerichteten Traditionsbrüche wirkt. Herausgeber Anton Hunger, gleichzeitig Wendelin Wiedekings enger Vertrauter und Pressechef, weist im Editorial zur Sondernummer darauf hin, dass auch schon im Porsche 959 und einigen Rennsportwagen eine Wasserkühlung am Werk war – und damit, dass das Neue eigentlich etwas Altes sei. Im Heft selbst wird zunächst betont, dass auch der neue Porsche 911 Carrera von einem Sechszylinder-Boxer angetrieben werde, weil dieser Motor mit seiner flachen Bauweise sehr gut zum Heckmotorkonzept passe. Zudem verschaffe die gegenläufige Arbeitsweise seiner Kolben Laufruhe. Da es keine freien Massenkräfte gebe, entstehe ein »mechanisches Wohlverhalten«, das dem Sportwagenmotor erlaube, stabil auch in hohe Drehzahlbereiche vorzustoßen. Nach langer Einleitung kommt der Autor zum Punkt. Um hohe Leistung, niedrigen Verbrauch und geringe Schadstoffwerte zu erreichen, benötige man eine Vierventiltechnik und die sei nur mit Wasserkühlung möglich. In einem Porsche-Werbefilm formuliert Hunger pointierter: Experten hätten die Wasserkühlung sofort akzeptiert, weil sie wüssten, dass daran für einen modernen Sportwagen kein Weg vorbeiführe, die Nostalgiker benötigten etwas mehr Aufklärung (weil sie keine Ahnung haben). Das sagte Hunger natürlich nicht, aber jeder, der Ohren hatte, konnte es verstehen.
    Die für keine Mätzchen zu erweichenden Sportwagenexperten von »Sport Auto« verglichen in einem umfassenden Test den aufgedunsenen 996er mit dem mittlerweile als Kultwagen gerühmten Porsche 993. Und der 996er war dem Luftgekühlten in jeder Hinsicht überlegen: bei der Beschleunigung von null auf 200 Kilometer pro Stunde und (ganz besonders) beim Herunterbremsen von 200 Kilometern pro Stunde auf null. Im Vorwort zu dem umfangreichen, 15-seitigen Test betont der Autor, dass dieser Test den Porsche-Traditionalismus übergeht und einfach die technischen Werte sprechen lassen will. Auf dem Nürburgring nimmt der 996er dem 993er elf Sekunden ab, auf dem Hockenheimring 2,4 Sekunden. Nur beim Slalom und beim Ausweichtest erweist sich der kompaktere 993er als agiler. Auch eine 360-Grad-Pirouette ist mit dem 996er eigentlich nicht mehr möglich. »Der neue Carrera hat tatsächlich an Charisma eingebüßt«, lautet das Fazit, »ungeachtet subjektiver Empfindungen haben wir es aber mit einem Sportwagen zu tun, der unter fahrdynamischen Gesichtspunkten wirklich neue Maßstäbe setzt.« Porsche-Werksfahrer Bob Wollek pflichtet diesem Urteil bei: »Für mich ist dieses Auto der beste Elfer, den es je gab.« Walter Röhrl hatte eine noch einfachere Regel: »Gibt es einen schnelleren Elfer auf der Nordschleife: ja oder nein?« Die Antwort war ganz einfach. Im Lateinischen werden Atem, Lufthauch und Seele mit dem gleichen Wort bezeichnet: »anima«. In diesem Sinne ist der luftgekühlte Elfer der beseelte Elfer. Die Elfer nach ihm müssen ihre Seele erst beweisen. Sie stehen unter Generalverdacht. Für die Luftis, so flapst Ingo Rübener, heißt es in der Regel weiter: »Wasser? Nein danke!«

Der große Bruch II:
die Form
    Als wäre die Wasserkühlung nicht Prüfung genug, wird der Bruch mit der Antriebskonzeption durch eine radikal anmutende neue Formensprache unterstrichen. Dieser Elfer soll als etwas vollkommen Neues wahrgenommen werden. Auch wenn das Risiko dabei sein könnte, dass der Elfer alte Freunde befremdet. Die zur Religionsgemeinschaft gewordene Gemeinde der Elfer-Puristen sah mit Schrecken, dass die Häresie mit dem 964er und dessen Hängebauchoptik und wulstigen Stoßfängern noch steigerungsfähig war. Nach dem eher restaurativen Ansatz des 993ers war der 996er in vielerlei Hinsicht ein gänzlich neues Auto, das selbstbewusst mit vielen Traditionen brach. Am augenfälligsten war die Veränderung der Frontpartie. Die Spiegeleioptik der Frontleuchten mit den integrierten Blinkern und Nebelleuchten führte zu heftigen Reaktionen. Galten die Rundscheinwerfer nach 35 Jahren als Markenkern desPorsche 911, hatte der niederländische Autodesigner Harm Lagaay einen bewussten Bruch herbeigeführt, obwohl er seit 1971 in Weissach gearbeitet hatte und die Porsche-DNA internalisiert hatte. Laagays respektloser Entwurf rief die Tuner auf den Plan. Von Strosek

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