911
worden, mit Sekretärinnen als Fotomodellen, später wurden die Vertriebszentrale in Ludwigsburg, die Teststrecke in Weissach oder auch das Entwicklungszentrum dort als Kulisse genutzt. Der Genius Loci wurde stolz und kostenbewusst genutzt. Damit war es schon mit dem 964er ein wenig vorbei. Die Werbung für den 996er nutzte jene idealischen Bühnen, endlose Landstraßen in Wüsten (gerade) oder an verwinkelten Küsten (kurvig). Der Elfer war nicht länger vor allem Schwabe, er sollte ganz Weltenbürger werden. Er sollte alles können, außer Schwäbisch. So wurde der 996er zu dem am wenigsten schwäbischen Elfer. Laagays Nachfolger, Michael Mauer, hat in Pforzheim studiert und obwohl er aus Hessen kommt, legte sich bei der Vorstellung des 991ers 2011 über sein Hochdeutsch eine schwäbische Lasur.
Die Zielgruppen mussten erweitert werden. Der Marketingchef von Porsche, Gerd Mäuser, gestand damals, dass die Käufer des 996ers wohl etwas älter und zehn Prozent mehr Frauen dabei sein würden. Der 996er, besonders in der Variante mit der Tiptronic, ließ sich bequem von jedermann und jeder Frau voraussetzungslos bewegen. Mit dem 300-PS-Motor kam man zügig durch die Gegend, aber der 996er schien am ehesten in seinem Element, wenn er im fünften Gang mit Tempo 60 durch die Stadt cruiste. Er war ein kalifornischer Elfer, ein Statement, das zeigte, wie bequem man es sich mit dem Konzept 911 machen konnte.In Hollywood wird dieser Elfer zu einem Statussymbol für Menschen, die in der Entfremdung ihres glorreichen Berufslebens zu ersticken drohen. In dem Film »The Kid« spielt Bruce Willis einen slicken Imageberater, der seine Vergangenheit als fettes, trampeliges Kind vergessen hat. Er selbst fährt als Zeichen seines Erfolgs wie als automobiles Double seiner etwas gestanzten Weltläufigkeit einen Porsche 996 Carrera Cabrio mit den ganz spiegeleirigen Spiegeleier-Augen, die schon wenig später zumindest ansatzweise konturiert wurden. Dieses Verhältnis zwischen dem erfolgreich Entwurzelten und dem besonders Eigenwilligen vermittelt viel von dem Bruch, den dieser Elfer dargestellt hat. Er hat seine Ecken, Kanten und das eigene Stammbuch zur Disposition gestellt. In dem Film fährt das mythische Alter Ego in der Vergangenheit ein 356er Cabrio. Dieser ältere Herr, ebenfalls von Willis gespielt, ist der pure Charakter, die Essenz von Eigenwilligkeit und Unangepasstheit, während der Fahrer des 996ers erst im Laufe des Spielfilmplots zu sich selbst finden kann. Er verliebt sich in seine Mitarbeiterin, die ebenfalls ein schwäbisches Auto fährt. Weil sie voller Seele, Anstand und Charme steckt, ist es ein Mercedes 300 SE Cabrio aus den späten 60er Jahren. Wäre dieser Film so erfolgreich geworden, dass er eine Fortsetzung hergegeben hätte, Willis wäre im nächsten Film entweder einen alten Porsche oder den wieder an die Wurzeln zurückgekehrten Elfer der Baureihe 997 gefahren.
Die Folge der Häresie:
noch mehr Tradition
Wie in der katholischen Kirche auch hatte die Häresie bei der Gemeinde der Elfer-Traditionalisten den Ruch einer Sünde, die mit gestaffelten Strafformen einherging. Die Puristen exkommunizierten die 996er-Fahrer aus der Glaubensgemeinschaft, sie waren auf einigen Elfer-Treffen nicht gerne gesehen. Die Wiederaufnahme in die Glaubensgemeinschaft fand nur statt, wenn der Ketzerei abgeschworen und wieder ein klassisch luftgekühlter Elfer mit vertrauter Visage gekauft wurde.
Bemerkenswert war, wie schnell Porsche selbst auf die Unruhe in der Porsche-Gemeinde reagiert hat, um ein Schisma zu verhindern. Schon 2002 wurde die Frontpartie überarbeitet und war fortan auf den ersten Blick von einem Boxster zu unterscheiden. Mit der Einführung des 997ers im Jahre 2006 wurde das klassische Elfer-Gesicht rekonstruiert und zudem die Hüften des Fahrzeugs wieder sichtbar undgreifbar. Das nach Orthodoxie strebende Elfertum mag in seiner ritualisierten und dogmatischen Form Lebensinhalt und -aufgabe einiger tausend über den Globus verstreuter Liebhaber sein, ihr radikaler, nach Reinheit drängender Kern jedoch wird auch von den Hunderttausenden profanen Elfer-Besitzern heimlich geteilt und von der Firma Porsche selbst mehr oder minder offen unterstützt. Der Porsche war ein Massenprodukt geworden und sah auch so aus. Das war gefährlich – und rückblickend kann man sagen, dass kein Porsche sich so weit aus dem Korridor der reinen Lehre des Elfertums entfernt hatte wie der 996er. Er bleibt ein Fremdkörper in der
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