911
Porsche-Neigung zu Fließheckpartien erläutert. Auch ein paar Monate später bei einer Podiumsveranstaltung mit störrischen Designern und Architekten, die allesamt dem 911er verfallen sind, bleibt er bei der ruhigen Analyse. Die Topographie über der Haube sei typisch Porsche, ihre Ausprägung beim Elfer dagegen Produktidentität.
Das Heck ist sein neues Element – die Kante, die von der einen Seite zur anderen rüberläuft und dem 911er optische Breite gibt und Präzision. Durch die geduckte Erscheinung und die Kante wirkt »der Popo breiter«, obwohl er genauso breit ist wie beim Vorgänger. Verstärkt wird der Effekt durch die einziehende Scheibe, die starke Schulter und die schmalen Heckleuchten. Für den Elfer müssen es im Prinzip runde Scheinwerfer sein, im schlimmsten Fall in Form einer Ellipse, wie jetzt beim 991er. Etwas, das von dem anwesendenArchitekten auf dem Podium sofort kritisiert wird: Die Scheinwerfer vorne seien fünf Prozent zu groß, das Heck sei zu nahe am Aston Martin und der Knick müsse auch gut überlegt sein.
Mauer ist schwer zu irritieren. Die Architektur des Fahrzeugs definiert die Dimension und die verrät dann auch, ob es sich um einen Sportwagen handelt. Die 20 Zoll großen Räder sind ein Ergebnis der Anforderungen der Fahrdynamik wie auch der Tuning-Ästhetik, der verlängerte Radstand von den Ingenieuren diktiert. Länge läuft, heißt es da. Die Flyline, das abfallende Dach, sei sehr typisch 911er. Dadurch, dass die Höhe des Fahrzeugs reduziert und gleichzeitig der Radstand verlängert wurde, hat der 991 eine ganz andere optische Dynamik. Die Außenspiegel sitzen nach 13 Jahren wieder auf den Türen. Jedes Details ist bei Mauer bis ins Vorletzte durchdacht. Er ist anders als Ferdinand Alexander Porsche nicht mehr der Designer eines Fahrzeugs, sondern aller vier Porsche-Baureihen, plus der Reihen, die noch dazukommen sollen. Alles in seinen Überlegungen folgt einem großen Plan. Der Stilist als Ingenieur berechnet die Effekte und will doch von jenen auch verstanden werden, für die ein Elfer stets und vor allem eine Sache des Herzens war und ist.
Das Technologie- und Entwicklungszentrum von Porsche liegt abseits der nicht unbedingt großen Stadt Stuttgart, in der zum Zeitpunkt der exklusiven Preview seit ein paar Wochen die Grünen regieren, deren Mächtigste schon vor Amtsantritt zu verstehen gaben, dass ihnen die Zuffenhausener Meisterwerke nicht besonders am Herzen liegen.
Obwohl der 991er noch zu Zeiten eines Ministerpräsidenten Günther Oettinger entworfen wurde, besitzt dieses Modelleine Kantigkeit, mit der man auch anecken kann. Anders als der knuffige 996er, das elegant zurückhaltende G-Modell oder die feingliedrigen Ur-Elfer besitzt der 991er eine wehrhafte Athletik. Sein Heck blickt so böse drein, als könne er Brandstifter, wie sie im Jahr 2011 vor allem in Berlin alle automobilen Statussymbole der gehobenen Mittelschicht anzünden, seinerseits in Flammen setzen. Er gibt von vorne den Intellektuellen und hat hinten die Maske des Rächers übergezogen.
Gleichzeitig steckt in ihm ein überzeugter Grüner, denn dank der Start-Stopp-Automatik konnte der Verbrauch trotz Leistungszuwachs gesenkt werden. Die Testberichte weltweit überschlagen sich. Selbst Jeremy Clarksons »Top-Gear«-Magazin verteilt Bestnoten. Er könnte seinen grünen Kritikern entfliehen, wenn er denn wollte. Aber es sieht so aus, als würde er sich auf die Auseinandersetzung freuen. Er ist ein Mahnmal heiterer Angriffslust. Das passende Auto für unsere Zeit.
Für die Traditionalisten bedeutet der 991er trotz der optischen Wagnisse am Heck wie im Inneren eine weitere Etappe in der Restauration des klassischen Elfertums. Der 991er ist leichter, rauher und gefährlicher als sein Vorgänger. Dass der Name 911 wieder auf dem Heck zu lesen ist, greift in der Traditionslinie bis zum letzten SC-Modell mit dem samtig-sportlichen 204-PS-Motor zurück. Zudem wird 2014 der Targa wieder mit dem Bügel eingeführt. So imprägniert sich Porsche nun als VW-Tochter mit Reverenzen an die Geschichte gegen den Verdacht der Verwolfsbürgerung.
Die Realitätsmaschine
Wer will, kann den aktuellen Elfer pur fahren, wie einen Porsche vor 30 Jahren. Wer die elektronischen Fahrhilfen ausschaltet, erhält einen Elfer, der gefährlich und herausfordernd sein will. Skeptiker befürchteten, dass Volkswagen einen Bürokraten und VW-Vasallen an die Spitze von Porsche bestellt, der das gallisch anmutende schwäbische
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