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solchen Sportwagens. Je banalerder Besitzer eines Elfers daherkommt, umso mächtiger strahlt das Auto über ihn hinweg.
Echte Elfer-Fans verstehen sich als Seelen-Guerilla gegen die frostige Welt jener Statusfetischisten, die mit dem Kauf eines Porsche ein brüchiges Selbstwertgefühl mit einer Teflonschicht nach außen armieren. Elfer-Fans sind Junkies ihrer Leidenschaft. Sie verlieben sich jeden Tag neu in ihren Sportwagen. Sie erinnern an die Zeit, als die ersten Mechaniker in Zuffenhausen den einen oder anderen Kunden den Wagen Probe fahren ließen, um – so Richard von Frankenberg – »festzustellen, ob er überhaupt gut genug Auto fahren kann und das Getriebe ohne Krachen schalten kann«. Der Porsche sollte ursprünglich ein Auto »for those who know« sein, wie das ein Detroiter Technolabel später für seine Platten in Anspruch nahm. Kein Auto für jeden, sondern eigentlich nur für denjenigen, der dieses Autos würdig war. Oder im Schwäbisch der Monteure: »Dem verkaufa mer koi Audo, der hot’s net verdient.« Der offizielle Sound aus Zuffenhausen klang freundlicher. »Wenn man Sie nach der Wahl Ihres Fahrzeugs beurteilen würde«, so mutmaßt das Vorwort der Bedienungsanleitung des ersten Elfers 1964, »müsste man ohne Zweifel auf einen Automobilisten besonderer Klasse schließen.«
Von Shawn Stüssy, dem kalifornischen Designer von Surfbrettern, T-Shirts und Jacken, war bekannt, dass er Leuten, die seine Sachen trugen, aber ausgemachte Widerlinge waren, viel Geld bot, damit sie ihm Caps, Hoodies oder Baggy Jeans wieder zurückgaben. In dieser Exklusivitätsfantasie schimmert ein romantischer Traum von einer Konsumgesellschaft, in der es zwischen Produkt und Konsumenten kaum Entfremdung und Verwerfung gibt. Eine Welt, in der die Intention des Produzenten mit der Projektion des Kundenzusammenfällt. Etwas, das bei Porsche bis in die späten 70er Jahre funktionierte, weil der Kreis der Kunden noch irgendwie überschaubar war. Die Porsche-Monteure der ersten Stunde hatten Porsche so geformt wie der Porsche sie. Sie waren auf motivierende Weise mit ihrem Werk eins. Sie bauten in 25 Stunden Handarbeit einen Motor zusammen und wenn er fertig war, schlug der Monteur die Initialen seines Namens in das Kurbelgehäuse. Porsches waren einzigartige Manufakturobjekte für Individualisten. Mit der Massenproduktion, den Fließbändern und – dank Wiedeking – schließlich mit dem Kaizen der Japaner ging diese Bindung im altmodischen Sinne verloren, umso wichtiger war es für die Marke und ihre »Die Hard«-Kunden, diese Verschiebung der Produktionsbedingungen mit einem Maximum an Emotionalität überzukompensieren. Sollte das Automobil das technische Zentralobjekt der Moderne sein, wie Peter Sloterdijk das vermutet, dann wäre dieser Kampf um Individualität auch ein humanistisch-liberales Projekt, wenn auch ein wenig elitär und nicht direkt übersetzbar in den Massenmarkt der Wegwerffahrzeuge. In Kalifornien hat sich die R-Gruppe (sic!) gegründet, die den Elferismus mit der Hot-Rod-Kultur verbindet und damit zwei minimalistische Bad-Boy-Subkulturen und -Ästhetiken verschmelzen lässt. Diese Gruppe von Elfer-Freunden, die vor allem getunte Ur-Elfer bewegen, versteht sich als anarchistisches Herz des Porsche-Undergrounds. In diesem Kollektiv, das seine Mitglieder streng selektiert, wird das Porsche-Fahren exklusiv und rebellisch, wie es am Anfang bei James Dean und den protofeministischen Rennfahrerinnen wohl gewesen ist. Als Spiritus Rector und Ehrenmitglied verstehen die Kalifornier Steve McQueen.
Die ikonische Erscheinung des Elfers hat seine Warenform transzendiert. Tobias Rehberger, in Stuttgart geborener Künstler, zeichnet zur Jahrhundertwende ein paar Skizzen eines Elfers aus dem Gedächtnis und sendet sie nach Thailand, wo auf Fakes spezialisierte Mechaniker einen fahrbaren Elfer konstruieren, der trotz entgleister Proportionen und ungenauer, brutalistischer Details doch sofort als Elfer erkennbar ist, wegen der Torpedorohre, der Flyline und des schlanken Hecks. Deutlich respektvoller nutzt der Architekt die ikonische Form des Elfers und modelliert aus der Flyline den Porsche-Pavillon in der Autostadt Wolfsburg. Skulptur wie Gebäude sind Ikonen (sic!), die als Ableitung des Referenzobjektes dessen kulturelle Fruchtbarkeit herausstreichen.
Elfer-Freunde haben eine eigene Sprache. Ihr Soziolekt schweißt eine Gemeinschaft zusammen, die mit unzähligen Magazinen und Foren im Netz mit jedem Jahr
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