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ausdifferenzierter wird. Das Ideal ist eine Semantik, die direkt aus dem Kfz-Schein oder der Technikgeschichte des Elfers abgeleitet werden kann: »Ich fahre einen 964er mit mehrteiligen Cups, 030 ab Werk.« Oder: »Ich fahre ein 3.2 Coupé mit G50, Fuchs und WLS.« WLS heißt Werksleistungssteigerung, so wie WTL Werksturbolook heißt und G50 ist ein Getriebe, das die letzte Version des G-Modells ab 1986 serienmäßig erhalten hat. Oft genug sind diese Fans nicht so wohlhabend, dass ihr Elfer ein Auto unter vielen in ihrer großen Garagenlandschaft ist, sondern ein Stück materialisierter Exzellenz, das sie sich gönnen, weil es der Traum ihres Lebens ist. Sie pflegen ihren Elfer wie ein Familienmitglied, schicken ihn mit einem üppigen Ölwechsel in den langen Winterschlaf, bewahren ihn vor Nässe und Kälteund horchen jeden Tag, ob der Motor hustet oder stottert. Regenwasser wird aus den Türläufen alter Elfer geholt, wenn die Ausfahrt im schlechten Wetter endet, zur Not mit dem brandneuen Kaschmirschal. Ein absolutes Gehör für den noch kalten Motor, der mit dem Blick auf die Öltemperaturanzeige nicht mehr als 3.000 Umdrehungen gefahren werden soll, hat der »Lufti« für seinen Elfer längst entwickelt, weil er weiß, wie schädlich höhere Drehzahlen für die Haltbarkeit des Boxers sind. Der Drehzahlmesser im Zentrum der Instrumententafel hat sein Double in Hirn und Gehörgang des Elfer-Fahrers erhalten.
Der hohe Individualisierungsgrad ist beim Elfer ein Alleinstellungsmerkmal. Kaum ein Auto ist wie das andere. Und wer es ganz speziell mag, hat ein Auto aus dem Sonderwunschprogramm zusammengestellt, das auch mutigste Farb- und Materialkompositionen zulässt. Seit 1986 firmiert das Sonderwunschprogramm unter dem Label »Exclusive«. Schon der Name insinuiert eine ziemlich konventionelle Distinktionspraxis, die zwar zum reichen und mehr noch zum neureichen Kundenstamm von Porsche passt, weniger aber zu jenen Puristen, die in der Reduktion der Extravaganz und der Essentialisierung des Elfers der wahren Bestimmung dieses Sportwagens entsprechen wollen. Eine der schönsten, weil reduziertesten Individualisierungen stammt von Jil Sander. Wie Jerry Seinfeld befand sie sich auf einer Reise ins Innere des Markenkerns: ins Reich des absoluten Minimums.
Auch wenn der Elfer in westlichen Großstädten längst ein Massenphänomen geworden ist, bleibt der Sportwagen gegenüber den Volumenmodellen unverwechselbar. Der Elfer protestiert gegen die Uniformität der Limousinen, SUVsoder Kombis. Mancher deutsche Hersteller produziert eigentlich nur noch ein Auto, das in verschiedenen Größen ausgeliefert wird. Das gelungene Autodesign ist zur Seltenheit geworden. Scheußliche Karossen mit piepsigen Motorgeräuschen und albernen Farben überrollen Stadt und Land. Oft genug sitzen in unansehnlichen Autos auch unbedarfte Autofahrer, denen man die mangelnde Lust am Verkehr an jeder Kreuzung, mit jeder Lenkbewegung anmerkt. Die zappelige Ineffizienz ihres Kurses durch den Alltag reflektiert die Wertlosigkeit ihre Blechetuis. Sie behandeln ihr Auto schlecht, verschleißen Bremsen und Reifen mit hektischen Bewegungen und sinnlosen Aktionen, weil sie ihr Auto verachten und diese Autos heimlich ihre Besitzer verspotten. Der großstädtische Verkehr ist ein komplexes Ballett, dessen Rhythmus und Tempo jeden Morgen neu verhandelt werden, wer automobil unmusikalisch ist, verpasst seinen Einsatz und torpediert die Formationstänze und Soli der anderen. Der Massenverkehr ist eine soziale Praxis, deren Schönheit nicht ernst genommen wird.
Deprimierend sind die Akteure der strebsamen Mittelschicht, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, alle Verkehrsteilnehmer zu erziehen und einzubremsen. Mit pedantischer Rechtschaffenheit erstreiten sie die Höchstgeschwindigkeit gerne auch mit Nötigungen. Oft genug scheitern sie, die Karl Heinz Bohrer so schön als Mainzelmännchen beschrieben hat, bei ihren Kontrollimpulsdurchbrüchen an der Lockerheit, mit der sich Fahrer von muskulösen Limousinen und Sportwagen durch einen kurzen Tritt aufs Gaspedal und ein kurzfristiges Ignorieren der Straßenverkehrsordnung von derlei Volkspädagogen emanzipieren. Der unfreiwillige Verkehrsunterricht wird ausschließlich durch die in Verbitterung Arrivierten angeregt.Es ist eine sehr deutsche und sehr verbitterte Art, die Egalität auf den Straßen einzufordern.
Gehört es mittlerweile zum guten Ton, Baukultur, Mode und Design connaisseurhaft zu schätzen, ist
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