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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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sie alles auf den Kopf gestellt. Und was haben sie gefunden? Gar nichts.«
    Es war nicht verwunderlich, dass mehrere Durchsuchungen stattgefunden hatten, zunächst während Zhous Internierung und dann nach seinem Tod.
    »Ich wurde erst vor kurzem in die Ermittlungen eingeschaltet«, erklärte Chen und gab ihr seine Karte. »Vielleicht haben meine Kollegen etwas vergessen, als sie mich über den Fall informiert haben; ich wurde nur als Berater hinzugezogen. Zunächst aber möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen, Frau Zhou.«
    Sie inspizierte seine Visitenkarte, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich.
    »Oh, kommen Sie bitte herein«, sagte sie und hielt ihm die Tür auf. »Es ist ja so ungerecht, Oberinspektor Chen. Wo Zhou doch so viel für diese Stadt getan hat. Und das alles wegen einer Schachtel Zigaretten. Ich kann es einfach nicht fassen.«
    In dem großen Wohnzimmer ließ Chen sich in ein schwarzes Ledersofa sinken, während sie sich ihm gegenüber auf einen Sessel setzte.
    »Eigentlich müsste ich Ihrem Mann bei den Sitzungen des Stadtparlaments schon begegnet sein, aber ich kannte ihn nicht persönlich. Zweifellos hat er viel zur Bautätigkeit in Shanghai beigetragen.«
    »Aber niemand will das anerkennen. Die Leute reden nur noch von den 95 Supreme Majesty, die er von einem alten Freund geschenkt bekommen hatte. Er hat das den Beamten von der Parteidisziplinarbehörde doch alles erzählt. Man hätte ihm die Möglichkeit zu einer Richtigstellung in der Öffentlichkeit geben müssen, aber stattdessen haben sie ein shuang-gui über ihn verhängt. Niemand wollte ihm helfen. Seine mächtigen Freunde in der Stadtregierung sind nur darauf aus, ihre eigene Haut zu retten. Auch die Polizei hat nichts unternommen.«
    » Shuanggui fällt nicht in die Zuständigkeit der Polizei«, erklärte Chen; ihre unverblümte Kritik überraschte ihn. »Ich konnte nichts dagegen tun. Vertreter der Stadtregierung und der Disziplinarbehörde hatten sich bereits Tage bevor ich von dem Fall erfuhr, mit ihm im Hotel eingemietet.«
    »Wenn es bei seiner Arbeit zu Entscheidungen kam, die unlauter oder falsch waren, so hätte man nicht ihm allein die Schuld dafür geben dürfen. Er arbeitete unmittelbar für die Verantwortlichen in der Stadtregierung. Ohne deren Zustimmung hätte er gar keine Entscheidungen treffen können. Wissen Sie, wie viel Prozent des Bruttosozialprodukts dieser Stadt allein auf dem Immobiliensektor erwirtschaftet werden? Mehr als die Hälfte.«
    »Das ist in der Tat gewaltig«, bemerkte Chen vage und fragte sich, ob diese Angabe korrekt war.
    »Die Leute beklagen sich über die horrenden Wohnungspreise. Zhou wusste das nur zu gut, aber wenn die Preise dramatisch gefallen wären, hätte das zu einer Kettenreaktion geführt, die katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft dieser Stadt gehabt hätte. Also hat Zhou sich für einen stabilen Markt ausgesprochen. Er musste das tun, es lag im Interesse aller.«
    Offenbar war ihr klar, dass es nicht wirklich um die 95 Supreme Majesty ging.
    »Ich habe die Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt nicht verfolgt, aber ich finde, Sie haben völlig recht, Frau Zhou. Es war nicht gerecht, Ihren Mann bloß wegen dieser Schachtel Zigaretten zu verfolgen. Nun, ich habe nur noch ein paar Routinefragen an Sie. Hatten Sie in seinen letzten Tagen Kontakt mit ihm?«
    »Man hat mich nicht zu ihm ins Hotel gelassen. Das Telefon dort wurde abgehört, vermutlich auch das in unserer Wohnung. Er war klug genug, nicht ständig hier anzurufen oder viel zu reden.«
    »Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?«
    »Am Sonntag, nur einen Tag vor seinem Tod. Er hat kaum etwas gesagt am Telefon, außer dass es ihm gutgehe und dass ich besser nicht so oft im Hotel anrufen solle.«
    »Haben Sie irgendeine Veränderung an ihm bemerkt?«
    »Bei einem so kurzen Gespräch lässt sich das schwer feststellen, aber nein, er kam mir nicht anders vor als sonst.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Am Tag, bevor er interniert wurde.«
    »In welcher Verfassung war er da?«
    »Er war völlig fertig, nachdem sich diese Menschenfleischsucher im Netz auf ihn eingeschossen hatten. Das war die reine Lynchjustiz.«
    »Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Er fragte sich, wie die Regierung es zulassen konnte, dass sich der Mob im Internet dermaßen aufführt. Sie hätten schärfere Kontrollen durchführen müssen.«
    »Wie meinte er das?«
    »Man hätte alle Websites, auf denen der Begriff

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