999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
die Santa Marta direkt vor dem großen Turm, auf dem der Marzocco , der florentinische Löwe und das Wappentier der herrschenden de’ Medici, thronte. Während Ferruccio den Kapitän bezahlte, waren Leonora und Giovanni bereits an Land gegangen und fanden sich in einer bunt gemischten und in allen Sprachen parlierenden Menschenmenge wieder: Mohren mit Gesichtern und Armen so schwarz wie Ebenholz, Juden mit ihren schwarzen Gehröcken und langen Schläfenlocken, Soldaten ohne Uniform, dafür aber mit goldenen Ohrringen, Fischer und Dirnen; dazwischen Händler, die Stoffe, Gewürze und Schmuck feilboten. An den Verkaufsständen, die zu improvisierten Wechselstuben umgewandelt worden waren, wurde lebhaft über die Wechselquoten diskutiert. Giovanni beobachtete den schnellen Wechsel von Florinen und Talern in Genueser, von venezianischen Dukaten, neapolitanischen Augustalis und französischen Goldpistolen oder wertvollen sarazenischen Goldtari. Es waren flinke Transaktionen, bei denen das Vertrauen ein grundlegendes Element darstellte.
Ferruccio trat zu Giovanni und ließ seinen Blick schweifen.
»Die Medici können zufrieden sein«, sagte er. »Nicht nur der Hafen wird von Tag zu Tag größer, er verdunkelt bereits den Ruhm Pisas.«
Giovanni lächelte. »Das wird ein nützliches Gesprächsthema sein, wenn du dich erneut am Hofe Lorenzos vorstellst und dir den Segen für deine Vermählung von ihm erteilen lässt.«
»Von den de’ Medici?«, Leonora sah ihn besorgt an. »Ich will mich nicht bei Hofe vorstellen!«
»Ich fürchte, das ist ein kleiner Obolus, den du bezahlen musst«, antwortete der Graf sanft. »Du wirst am Arm Ferruccios erscheinen, eine leichte Verbeugung machen, und einen Augenblick später wird dir Lorenzo fasziniert zu Füßen liegen.«
»Daran hatte ich nicht gedacht«, sagte Ferruccio und grinste. »Eigentlich möchte ich nicht gezwungen sein, mit ihm zu kämpfen!«
»Ihr Männer habt kein Hirn. Ich werde zur Mutter beten, auf dass sie euch etwas davon gewähren möge.«
Von ihrem Gepäckkarren gefolgt, gingen sie in die naheliegende Festung, die den alten Zwinger beschützte. Dort gab es eine Poststation, wo sich ihre Wege trennen würden. In der Loggia wählte Ferruccio zwei Knappen aus, die Giovanni auf seiner langen Reise begleiten würden – Brüder aus Bologna, jung und mit ehrlichem Blick.
»Bist du nach wie vor von deinem Plan überzeugt?«
»Ja, Ferruccio. Du weißt, dass es meine letzte Möglichkeit ist. Aber ich bin guter Dinge, denn die Studenten an der Universität zu Paris sind zwar nicht so weise wie del Medigo oder Abdullah, aber dafür sind sie zu Hunderten, und sie haben einen offenen Geist. Ich werde dort bestimmt den einen oder anderen finden, der mir Glauben schenkt und mir folgt. Bei allem, was mir auf der Welt am liebsten ist: Ich schwöre euch, dass wir uns wiedersehen. Ich werde rechtzeitig zu eurer Hochzeit zurückkehren.«
»Giovanni!«
Leonora umarmte ihn wie einen Bruder und weinte hemmungslos.
»Ich bitte dich, Leonora«, Ferruccio legte ihr zart die Hand auf die Schulter, »für Giovanni ist es besser, wenn er nicht auffällt.«
Leonora nickte und wich zurück. Als sie Giovanni zum Abschied auf die Wangen küsste, benetzte sie dabei seinen Bart mit ihren Tränen, die wie kleine Perlen darin hängenblieben.
Ferruccio öffnete eine Reisekiste und holte ein Futteral hervor, aus dem er ein dünnes Schwert zog, das eine überaus ungewöhnliche Fasson aufwies. Es hatte einen Silberknauf und ein kreuzförmiges Heft mit fein gearbeitetem Gefäßbügel. Er nahm es mit beiden Händen und überreichte es Giovanni.
»Es ist für dich«, sagte er leise. »Ich habe es extra für dich anfertigen lassen. Es ist sehr leicht und hat einen speziellen Schutz für deine Hände.«
Giovanni nahm das Schwert entgegen und bewunderte die exzellente Ausführung. Die Klinge war hauchdünn, schien aber nichtsdestotrotz robust und sehr scharf zu sein. Es wog kaum mehr als ein großer Dolch, und der Griff war mit feinen schwarzen Lederriemen ummantelt. Dann balancierte er es mit der rechten Hand aus, und obwohl er mit Waffen nicht besonders vertraut war, konnte er die leichte Handhabung in Verbindung mit der hohen Stabilität würdigen.
»Es ist wunderschön«, sagte er aufrichtig, »wenn ich auch gestehen muss, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich fähig sein werde, es zu benutzen.«
»Sollte der Moment je kommen, dann wird deine Hand geführt werden.«
Lange umarmten sich
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