999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Giovanni und Ferruccio wortlos. Dann trennten sie sich voneinander und vermieden es, sich noch einmal umzublicken. Ferruccio und Leonora gingen zur Poststation für Florenz, während Giovanni seine Abreise mit seinen neuen Knappen vorbereitete.
* * *
Es war kurz vor Sonnenuntergang, als ein Trupp Soldaten die Erlaubnis erhielt, mit ihren Waffen in den gut gesicherten Hafen einzureiten. Die Pferde waren schweißüberströmt und die Männer sichtlich müde. Einzig ihr Kommandant schien in seiner Arroganz noch Kraft zu haben, überheblich um sich zu blicken. Die Menschen traten zur Seite, als der Trupp an ihnen vorbeiritt, aber in ihren Gesichtern stand eine stolze Feindseligkeit, nicht nur weil die Männer so widerlich stanken, dass der Geruch noch eine ganze Weile in der Luft hängenblieb.
Als sie in die Nähe des Marzocco-Turms kamen, schob Fränzchen sein Visier hoch, stieg vom Pferd und ging mit zweien seiner Männer zu den Anlegeplätzen, an denen sich Schiffe aller Art drängten. Gerade als sie sich trennen wollten, um nach der Santa Marta zu suchen, sahen sie, dass sie mit heruntergelassenem Steg genau vor ihnen ankerte. Als Wache war nur ein orientalisch aussehender Matrose eingeteilt worden. Stolz stand er da mit seinem nackten Oberkörper, dem glänzenden Schädel und einem hervorstehenden Kehlkopf, in der Hand eine Eisenstange. Als Fränzchen mit seinen Männern über den Steg schritt, stellte der Orientale sich ihm breitbeinig in den Weg.
»Lass uns vorbei«, sagte Fränzchen gebieterisch, »wir wollen mit dem Kapitän sprechen.«
»Er ist nicht an Bord«, erwiderte der Wächter mit einem fremdländischen Akzent.
»Bei Gott«, brummte Fränzchen, »wir haben keine Zeit zu verlieren. Also los, wo ist der Kapitän?«
»In einem der Gasthäuser, um sich zu betrinken, glaube ich. Und wer seid Ihr?«
Fränzchen verlor die Geduld. »Ich glaube dir nicht. Lass uns vorbei«, raunzte er und zückte sein Schwert. Seine Männer taten es ihm gleich.
Der Mann stürzte davon und verschwand unter Deck.
»Sucht überall«, befahl Fränzchen, als er an Bord kam, »der Graf trägt einen schwarzen Bart. Und nehmt euch vor dem Mann mit dem Spitzbart in Acht, er könnte gefährlich sein. Nehmt auch die Frau, wenn ihr sie findet – sie könnte uns als Pfand nützlich sein.«
Dazu kam es jedoch nicht: Einen Augenblick später stürmten dreißig mit Dolchen, Holzprügeln und Äxten bewaffnete Männer unter Deck hervor und kreisten sie von allen Seiten ein. Fränzchen und seinen Männern blieb nur noch, sich Rücken an Rücken mit seinen Männern in Verteidigungsstellung zu bringen. Der einzige der Angreifer, der eine Jacke trug, ging auf Fränzchen zu.
»Haltet ein! Ich bin Francesco Cibo, der Sohn Seiner Heiligkeit, des Papstes«, schrie Fränzchen, aber seine Stimme hatte den tiefen Klang der Arroganz verloren und war nun schrill vor Angst.
»Ja natürlich, und ich bin der Heilige Geist!«, höhnte der Offizier. »In Abwesenheit des Kapitäns habe ich hier das Kommando«, fügte er, eher in Richtung Mannschaft, hinzu, »das heißt, hier auf dem Schiff habe ich die Macht über Leben und Tod.«
Fränzchen erwiderte nichts, sondern schluckte nur. Seine Beine begannen zu zittern.
»Ich sehe, dass der hohe Herr gut gekleidet ist«, fuhr der Offizier fort, »obwohl er wie Möwenscheiße stinkt.«
Seine Worte lösten lautes Gelächter bei der restlichen Mannschaft aus: Genau das hatte der Offizier gebraucht, um seine Befehlsgewalt über die ungebetenen Gäste zu untermauern.
»Werft eure Schwerter fort!«, rief er. Seine Stimme klang wie ein Befehl, dem Fränzchen sich nicht zu widersetzen wagte: Rasch schnürte er sich das Halfter ab und legte es mitsamt dem Schwert langsam auf die Planken. Seine Männer taten es ihm sofort nach.
»Und nun zieht euch aus«, schrie der Offizier weiter, »oder wir hängen euch kopfunter am Mast auf.«
»Wir können zahlen«, sagte Fränzchen und ließ seine Hand in sein Wams gleiten.
»Um zu zahlen und zu sterben bleibt immer noch Zeit, nicht wahr?«
Die Seeleute lachten und bereiteten sich auf das Spektakel vor. Fränzchen nickte ergeben und gab seinen Männern ein Zeichen. Wohl oder übel zogen sie sich ihre Stiefel, Hemden und Beinkleider aus und behielten nur noch ihre Unterhosen an.
»Und nun«, sagte der erste Offizier und wandte sich dabei an seine Männer, »glaube ich, dass diese edlen Herren ein schönes Bad gebrauchen können!«
Die Meute auf dem Deck explodierte
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