999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Fehler. Du sollst einfach deinen Kopf nicht gebrauchen!«
Fränzchen sah ihn hasserfüllt an, aber Innozenz kümmerte es nicht. Er war an solche Blicke gewöhnt – und dass sie diesmal von seinem Sohn stammten, machte ihm nicht das Geringste aus.
»Nun geh«, fuhr er fort, »und lass mir Cristoforo holen. Ich will ihn so schnell wie möglich sehen.«
»Cristoforo? Warum?«, fragte Fränzchen und biss sich auf die Zunge. Alle wussten, dass Cristoforo Innozenz’ Lieblingsneffe war. Und dass ein sogenannter Neffe des Papstes nichts anderes als ein nicht offiziell anerkannter Sohn war. Als der noch nicht einmal 18-jährige wollüstige Giovanni Battista Cibo die jüngste Tochter einer gewissen Familie Perestrello aus Genua geschwängert hatte, war er von seinem Vater, Senator Arano, an den Hof von Neapel geschickt worden, um die Sache zu vertuschen. Aber im Laufe der Jahre wuchs die Zuneigung des Papstes für diesen Sohn immer mehr, wohl aufgrund der außergewöhnlichen Ähnlichkeit zwischen den beiden, und so nahm er jede Gelegenheit wahr, um diesen Sohn um sich zu haben. Obwohl Fränzchen sich wegen der Nachfolge keine Sorgen zu machen brauchte, war er doch sehr eifersüchtig, ja er hasste Cristoforo.
Der Papst sah ihn mit einem gemeinen Grinsen an. »Warum ich ihn hier haben will? Weil es mir so beliebt, mein Sohn.«
Fränzchen erinnerte sich nicht, jemals von seinem Vater so genannt worden zu sein, aber es war nichts Väterliches in seinem Ton. Eilig verließ er den Raum.
»Warte.«
»Ja, Vater?«
»Dieser Freund von Graf Mirandola, dieser Benivieni – wo befindet er sich zu dieser Stunde?«
»Im Annona-Kerker, Vater …«
»Gut, aber lasst ihm nichts zustoßen. Nichts, was ihm nicht gefällt, verstanden? Niemand soll ihm ein Haar krümmen.«
Fränzchen machte eine leichte Verbeugung und öffnete die Tür.
»Denk daran. Hinter ihm«, fuhr der Papst über seine Anzüglichkeit lächelnd fort, »steht Lorenzo de’ Medici, der … bald dein Schwiegervater werden könnte.«
Fränzchen drehte sich so schnell um, dass er sich den Kopf an der Tür anschlug.
»Was?«
»Alles zu seiner Zeit, Fränzchen. Sorge dich nicht und geh jetzt. Ich will Cristoforo sehen, jetzt. Und ich will Mirandola. Tu mir den Gefallen und versage dies eine Mal nicht schon wieder.«
Rom
Dienstag, 19. Dezember 1486,
in der Nacht
Giovanni schlug mehrmals den falschen Weg ein, hatte aber Angst zu fragen. Von weitem erkannte er das Stadttor. Es war von vielen Fackeln erleuchtet, deren rötliches Licht sich in den Steinen der mächtigen Stadtmauern widerspiegelte. Obwohl es bereits spät war, konnte man ein eifriges Gewimmel davor erkennen. Jeder, der es passieren wollte, wurde angehalten und kontrolliert. Giovanni hörte Schreie und sah, wie ein Mann flüchtete. Er lief direkt an ihm vorbei, kam jedoch nicht weit: Ein berittener Soldat holte ihn ein und schlug ihm mit einem Holzprügel auf den Kopf. Der Mann fiel um – ob bewusstlos oder tot, vermochte Giovanni nicht zu sagen. Ein Händler, der eben angekommen war und morgen, am Markttag, seine Waren feilbieten wollte, näherte sich ihm und bot ihm Stoffe aus Damaskus an. Er werde ihm die Ware zum halben Preis überlassen, flüsterte er, wenn der Herr kaufen wolle. Nur allzu gern hätte ihm Giovanni den ganzen Karren abgekauft, um ein paar Informationen zu erhalten, aber er hatte nur die wenigen Münzen, die ihm Eucharius gegeben hatte.
»Woher kommt Ihr, Kaufmann?«, fragte er stattdessen.
»Aus Pesaro, mein Herr, der schönsten Stadt der Welt, seitdem sie unter dem Schutz der edlen Sforza-Familie steht.«
»Eine lange Reise habt Ihr da hinter Euch, und ich habe gesehen, dass Ihr beinahe nicht eingelassen worden wärt …«
»Ja, Herr, hier sind alle voller Unruhe. Viele Stadttore sind geschlossen, und es ist schwer, hinein-, aber noch schwerer, wieder aus Rom herauszukommen.«
»Aus welchen Grund?«
»Es scheint, als würden sie nach einem Edelmann suchen, der irgendeines schweren Verbrechens bezichtigt wird. Ich glaube, die Entehrung einer Frau, Hexerei oder Häresie. Gott möge verhindern, dass ich auf diesen Dämon treffe«, sagte der Händler und bekreuzigte sich.
»Gewiss«, antwortete Giovanni.
»Nun, Herr? Möchtet Ihr kaufen? Soll ich Euch den schönen Brokat, der gerade aus Persien eingetroffen ist, zeigen?«
»Guter Mann, ich werde Euch morgen auf dem Markt finden. Dort werden wir uns bestimmt einig werden.«
»Ich erwarte Euch, edler Herr, auf der Piazza
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