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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Liebe gehört. Wir werden wie junge Hunde beieinander liegen und uns wärmen.«
    Giovanni zog seinen prächtigen Umhang aus und legte sich neben sie. In der Unschuld des Schlafes kuschelte sie sich an ihn, und obwohl sie sehr schön war, umarmte er sie, ohne sich von ihr angezogen zu fühlen. Giovanni lag lange wach und starrte an die Decke. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, verweilten sie auf den Holzbalken und zwei großen Nägeln, die in ihnen steckten. Er stellte sich sein Leben wie einen robusten Holzbalken vor – nicht zu glatt, aber auch nicht zu krumm – und noch frisch genug, dass keine Verwitterungen sichtbar waren. Allerdings waren Nägel hindurchgetrieben, die ihn im Innersten verwundeten und brechen würden. Vielleicht wollten sie ihn aber auch nur zusammenhalten und einengen. Giovanni nahm das Manuskript und schubste es unter das Bett, bis es an etwas stieß, das er für den Nachttopf hielt. Dann deckte er sie beide mit seinem Umhang zu und lächelte. Er schlief mit dem Gedanken an seinen Traum ein, der ihn die ganze Nacht begleiten würde: Er träumte von dem Mädchen und von Margherita, bis die beiden Wesen zu einem Antlitz verschmolzen. Dann kam die Feuerkugel, die beide Frauen verschwinden ließ, und mit ihm, Giovanni Pico, Graf von Mirandola, ein langes und friedliches Zwiegespräch aufnahm.
    Als Nächstes fand er sich im Bauch seiner Mutter wieder und sah dem Leben dabei zu, wie es sich vor ihm abspielte: Von seinem geborgenen Standpunkt aus betrachtet, war alles eins, alles richtig und voller Liebe. Doch dann kam der Moment der Geburt. Das Atmen wurde schwer, und er fragte die Feuerkugel, ob nicht vielleicht alles umsonst gewesen sei.
    »Ich habe meinen Weg der Erkenntnis zu Ende gebracht«, antwortete sie ihm, »und bei dir bin ich angekommen.«
    »Wenn es aber nur mich gibt, welchen Sinn hat dann alles gehabt? Wer kommt noch zu dir?«
    »Sie werden es wissen, Giovanni, coetera norunt . Sie werden noch mehr erkennen, vom Okzident bis zum Orient, vom Tejo bis zum Ganges, bis zu den Erdpolen. Wenn es so weit ist, musst du ihnen den Schlüssel geben. Der Tag wird kommen, Giovanni, und die anderen wissen es bereits.«
    Giovanni hatte noch die Worte coetera norunt auf den Lippen, als das Tageslicht aus der engen Gasse zögernd durch das kleine Fenster drang. Sie wachten in einem angenehm warmen Zimmer auf.
    Leonora stand als Erste auf. »Singt ein Lied, ich bitte Euch«, sagte sie, während sie den Nachttopf unter dem Schrank hervorholte und hinter den Vorhang ging. »Ich schäme mich – wegen der Geräusche.«
    Giovanni gehorchte. Er stimmte ein lustiges Liebeslied an und sang es wie ein Kirchenlied. Leonora lachte dazu. Vorsichtig lugte Giovanni beim Singen unter das Bett: Neben seinem Manuskript lag nicht der vermeintliche Nachttopf, sondern ein kleiner Kupferzylinder.
    »Ich habe es am Tiberufer gefunden und mitgenommen«, erklärte Leonora. »Wenn es Euch gefällt, schenke ich es Euch. Wonach steht Euch der Sinn? Ihr seid anders – hat Euch der Morgen ein Lächeln gebracht?«
    »Nein, ich habe nur meine Ideen geordnet, Leonora.«
    »Das erfreut mich. Wisst Ihr, das Morgenlicht vertreibt die Alpträume, und die Gedanken werden klarer.«
    »Du bist klug.«
    »Überhaupt nicht, ich folge nur meinem Herzen. Obwohl es manchmal weh tut, macht es das Leben einfacher.«
    »Auch ich habe mich dafür entschieden und keine Scheu davor, dich erneut um einen Gefallen zu bitten.«
    »Der Tag fängt ja gut an!«, lächelte das Mädchen. »Da ist wirklich jemand, der mich braucht.« Leonora machte eine komische Verbeugung. »Edler Herr, ich stehe zu Euren Diensten.«
    »Ich danke dir von Herzen, Leonora.« Giovanni lächelte. »Und da du schon alles weißt – oder dir das, was du noch nicht weißt, bestimmt denken kannst – öffne ich dir mein Herz. Hör zu, ich habe nur wenig Geld, und ich brauche jede Kupfermünze davon. Die Gewänder, die ich trage, sind wertvoll, aber wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir sie verkaufen wollen. Das wird den Preis natürlich mindern. Heute ist Markt auf der Piazza Parione, und da gibt es einen Stoffhändler …«
    »Ich weiß, wo man die besten Geschäfte macht. Gebt mir Eure Gewänder und bedient Euch aus meinem Schrank. Die Kleider sind hässlich, aber sauber – ich habe sie selbst gewaschen. Wartet hier auf mich und geht nicht hinaus, denn es könnte gefährlich sein. Ihr werdet schon sehen: Das Geld, das ich Euch bringe, wird reichen, um

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