AAA - Das Manifest der Macht
ausgesucht oder den falschen Beruf – oder beides. Und dann bin ich zunächst einmal Journalistin, und zwar mit Leib und Seele. Ich will es einmal so beschreiben: Vielleicht würde ich nicht Vater und Mutter verkaufen für eine solche Story, aber bei allen anderen Verwandtschaftsverhältnissen hätte ich wahrscheinlich keine Probleme mehr. Und Ihre Story war einfach zu verlockend. Kapitalistischer Super-Staranwalt mit kommunistischen Wurzeln! Das ist großartig! Hätten Sie zum Beispiel einen Hotdog-Stand auf der Wall Street oder würden irgendwo am Fließband stehen, wäre die Sache für mich völlig uninteressant gewesen.“
John wollte etwas einwerfen, aber Samantha hob die Hand.
„Warten Sie, lassen Sie mich bitte ausreden. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie wollen mir vorwerfen, dass ich Existenzen vernichte, während ich meinen Job mache, gestern zum Beispiel möglicherweise Ihre, richtig?“
Da John nichts sagte, fuhr sie fort: „Dachte ich mir! Und jetzt frage ich Sie, John: Wie viele Existenzen haben Sie in Ihrem Job schon vernichtet? Wie viele Menschen haben durch Ihr Zutun schon auf der Straße gestanden, vom großen Boss bis zum kleinen Hilfsarbeiter? Ob jemand seinen SL verkaufen muss oder ein anderer seinen alten Nissan, das ist doch nur ein gradueller Unterschied, meinen Sie nicht?“
John schwieg weiter.
„Sehen Sie? Mitleid ist fehl am Platze in unseren Jobs, was bei uns zählt, ist nur der Erfolg, und der ist bisweilen nur mit harten Bandagen zu erkämpfen. Aber es gibt noch einen anderen Grund, dass ich die Katze zur Primetime aus dem Sack gelassen habe: Ich wollte Sie!“
John zog überrascht die Augenbrauen nach oben:„Mich? Wozu?“
„Erkläre ich Ihnen gleich. Hätte ich Sie angerufen und gesagt: Hey, Karl Marx ist Ihr Urahn, dann hätten Sie gesagt: Unsinn! Und säßen jetzt nicht hier. Also musste es einen richtigen Knall geben.“
„Worauf wollen Sie hinaus?“
„Darauf, dass hinter der Sache mehr steckt, als Sie und ich im Moment ahnen.“
Sie zeigte auf die auf dem Schreibtisch liegenden Papiere.
„Die Person, die mir diese Unterlagen zugespielt hat, hat Andeutungen in dieser Richtung gemacht. Sie, John, sind der Dreh-und Angelpunkt für alles. Und das ist die Story, hinter der ich eigentlich her bin.“
„Das ist doch alles ausgemachter Unsinn!“
„Das Gleiche haben Sie vor knapp zehn Minuten auch von Ihrer Abstammung behauptet!“
John schluckte. Stimmt, dachte er, diese Journalistin hatte echt was drauf. Vielleicht dachte er viel zu juristisch, bewegte sich zu sehr in eingefahrenen Bahnen, sah alles ausschließlich von seinem Standpunkt, vom Gewinnerstandpunkt aus.
„Was haben Sie vor?“, fragte er.
„Ich gehe davon aus, dass mein Informant über gewisse Dinge recht genau Bescheid weiß. Besser gesagt, ich bin mir dessen sicher. Ich will der Sache unbedingt nachgehen, weiß aber nicht, wohin das führt.“
„Ich finde, es ist an der Zeit, Klartext zu reden, Samantha. Also: Von wem haben Sie Ihre Informationen?“
„Zu meinen Prinzipien gehört, dass ich meine Quellen niemals preisgebe. Hier liegt die Sache allerdings anders; denn ich kenne die Identität meines Informanten selber nicht. Der Kontakt lief über ein Mobiltelefon, das sich – zumindest mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln – nicht zurückverfolgen ließ. Die Unterlagen lagen in meinem privaten Briefkasten. Irgendjemand möchte, dass ich weiter recherchiere. Ich komme mir wie ein Hund vor, der hinter einem saftigen Steak her hechelt, das dieser Irgendjemand an einer Angel vor mir herzieht. Das wurmt mich gewaltig. Aber ich bin auch verdammt neugierig und möchte mehr erfahren.“
„Das heißt was?“
„Das heißt, dass ich auf Spurensuche gehe, auch wenn ich dabei meinen Job oder meinen Hals riskiere. Und ich hätte Sie gern dabei, John.“
„Und worum geht es?“
Samantha sah auf ihre Uhr.
„Eine Riesensache, glauben Sie mir, aber das führt jetzt zu weit. Ich habe gleich Redaktionssitzung. Danach spreche ich mit meinem Boss. Ich rufe Sie danach sofort an. Versprochen!“
KAPITEL 20
John schwirrten hundert Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, als er Samanthas Büro verließ. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass die Geschichte seiner Abstammung von Karl Marx stimmte, was aus Samanthas Sicht allein schon eine Sensationsstory sein musste.
Aber was meinte sie mit: eine Riesensache?
Da musste noch einiges mehr dahinter stecken, dachte er, während er mit dem Lift nach
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