AAA - Das Manifest der Macht
verheiratet ist.“
John sah überrascht auf.
„Soll das etwa heißen, dass es auch uneheliche Kinder gab?“
„Ja, mein Lieber, dein Ur-Uropa war nicht ohne. Er beschäftigte sich als guter Kommunist äußerst intensiv mit dem Dienstpersonal.“
Sie bedachte Johns strafenden Blick mit einem strahlenden Lächeln und fuhr fort:
„Im Haushalt der Eheleute Marx arbeitete das Dienstmädchen Helena Demuth, genannt Lenchen. Sie war vorher bei den Eltern von Marx’ Frau angestellt gewesen. Diese Helena Demuth brachte 1851 in London einen Sohn zur Welt und gab an, der Vater sei ihr unbekannt. Es wird aber heute als historisch erwiesen angesehen, dass Karl Marx der Vater dieses Jungen war, was natürlich damals bei Bekanntwerden einen fürchterlichen Skandal verursacht hätte. Deswegen wurde der kleine Harry Frederick Demuth auch gleich zu Pflegeeltern gegeben und wuchs bei ihnen auf.“
„Vielleicht ist das ja mein Urgroßvater“, grinste John. „London würde doch schon mal passen, oder?“
„Nicht so hastig, bitte. Die wahre Abstammung von Harry Frederick, Rufname Freddy, wurde in den Kreisen von Marx´ Freunden, Gefolgsleuten und Bewunderern natürlich schamhaft verschwiegen, obwohl viele von ihnen Bescheid wussten. Aber um den Sündenfall des Idols der Arbeiterbewegung noch weiter zu vertuschen, gab sich sogar Marx´ Mitstreiter Friedrich Engels als Vater des Kleinen aus. In der Folgezeit verschwand Frederick dann völlig von der Bildfläche, lebte sozusagen inkognito. Erst lange Zeit nach seinem Tod, kam ihm ein Journalist anfangs der 1970er-Jahre, quasi posthum, wieder auf die Spur, und zwar über den damals bereits hochbetagten Adoptivsohn von Frederick Demuth, einen gewissen Harry Demuth.“
„Mein Großväterchen?“, fragte John sarkastisch.
„Komiker! Abwarten! Nach seinen Schilderungen waren Freddys Pflegeeltern arme Fuhrleute. Er erlernte das Büchsenmacherhandwerk und heiratete später eine irisch-stämmige Gärtnerstochter namens Ellen Murphy. Die brannte allerdings nach zwanzig Jahren Ehe mit einem Soldaten durch, und Freddy blieb mit Harry, seinem Adoptivsohn, zurück. An dieser Stelle bin ich nicht weitergekommen. Ich kann ausschließen, dass Harry Demuth, Freddys Adoptivsohn, dein Großvater ist. Es besteht aber die Möglichkeit, und dieser These will ich nachgehen, dass Freddy Demuth, der nach allen vorliegenden Quellen nie von seiner wahren Abstammung erfahren hat, noch einen leiblichen Sohn hatte. Dieser Sohn hat vielleicht irgendwann Kenntnis von seiner Abstammung bekommen und in Bewunderung für den großen Karl Marx, vielleicht auch, weil er daraus für sich einen Vorteil erhoffte, wieder den Namen Marx angenommen. Denn so hieß nun einmal dein Vater, John, jedenfalls solange, bis er in die Vereinigten Staaten einwanderte. Johann Marx und nicht Johann Demuth.“
„Und da fehlt dir die Verbindung, stimmt’s?“
„Noch, ja, das muss ich zugeben“, meinte Samantha nachdenklich.
„Ich kann dir sagen, warum dir die Verbindung fehlt“, meinte John triumphierend, „weil es keine gibt. Der Name Marx ist in Europa gar nicht selten, und mein Vater hat mit Karl Marx nicht das Geringste zu tun. Ich habe auch meine Hausaufgaben gemacht und Mr. Google und Mrs. Wikipedia befragt. Der Vater von Karl Marx, also mein angeblicher Ur-Ur-Urgroßvater“, John grinste triumphierend, „hieß überhaupt nicht ‚Marx’ von Geburt an. Er war jüdischer Advokat und wurde durch die preußischen Besatzer gezwungen, sich taufen zu lassen oder seinen Beruf aufzugeben. Um den ganzen Anfeindungen zu entgehen, hat er den evangelisch geprägten Namen Marx angenommen. So wie übrigens zig andere auch.“
„Stimmt nur halb, mein Lieber. Beim Vater von Karl Marx war Marx schon immer Namensbestandteil, er kam als Marx-Levy zur Welt. Ab 1808 hieß er dann nur noch Marx.“
John verzog das Gesicht: „Du bist wirklich gut informiert“, sagte er.
„Mein Lieber, außerdem vergisst du, dass dein Vater 1954 zu der Einweihung des Grabmals eingeladen wurde. Das ist nun einmal Fakt. Also gab es damals Menschen, denen die verwandtschaftliche Verbindung zwischen Karl Marx und deinem Vater bekannt war, und es gibt sicherlich auch heute noch Menschen, die uns über diesen Zusammenhang aufklären können. Und wenn es keine Menschen gibt, dann gibt es irgendwelche Schriftstücke.“
„Und die willst du in Köln finden?“
„Nicht direkt in Köln, aber in unmittelbarer Nähe. Ich habe einen Hinweis auf Briefe
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