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AAA - Das Manifest der Macht

AAA - Das Manifest der Macht

Titel: AAA - Das Manifest der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Meltz
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erstrebenswert. Glücklich lauschte er, wie der Mann, ausgehend von der Diktatur des Proletariats der Pariser Kommune und der Möglichkeit einer Niederschlagung der Bourgeoisie, Chancen einer grundsätzlichen Neuordnung der Gesellschaft heraufbeschwor. Nicht nur für Frankreich. Nein, auch in Deutschland würden die Bourgeoisie und die Kapitalisten, wie man dort sagte, eines Tages ihre Vormachtstellung abgeben müssen. Ein Blick nach Nordamerika, und berechtigte Hoffnung durfte sich einstellen: Das französische Vorbild sei dort präsent, so der Redner, und Meinungsfreiheit ein höchstes Gut. Und weiter ging es über die Visionen der Revolutionäre, die insbesondere die Bauern und Arbeiter aufrütteln wollten. Ungerechtigkeit musste bekämpft werden, schließlich seien alle Menschen gleich, ob in Amerika oder Europa, in Indien oder China. „Werft das Joch ab!“, hörte ihn Guy rufen. „Viel ist schon geschafft: Der Geburtsadel ist Geschichte, die religiösen Erb-Würdenträger wurden aus dem Land gejagt, die Bourgeoisie wurde entmachtet und das Volk bewaffnet. Totale Gerechtigkeit, totale Gleichheit und totale Freiheit.“
    Woher wusste dieser Mann das alles, woher nahm er seine Sicherheit, fragte sich Guy. Er war wohl Deutscher, sprach aber fließend Französisch und war offensichtlich mit der französischen Geschichte bestens vertraut. Guy lauschte weiter.
    „Liebe Genossen, wie kann es sein, dass ein guter Mann, ein fleißiger Arbeiter weniger besitzt als ein fauler Kapitalist, der durch Zufall in eine reiche Familie geboren wurde? Warum kann nicht jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen tätig sein? Jeder für Alle. Alle sollten das gleiche besitzen, alle sollten für die Gemeinschaft arbeiten, gleich hart. Der Staat hat viele Verpflichtungen, er ist die Ordnungsmacht, jedoch verstehen wir viele seiner Verpflichtungen gar nicht, oder sie sind schlicht unsinnig. Wie kann es da richtig sein, dass die Bezahlung dieser unsinnigen Verpflichtungen den Arbeitern und Bauern aufgebürdet wird? Haben die dann nicht zu wenig für ihre Familien, für die Kinder und die Alten? Die Arbeiter und Bauern bezahlen mit ihren Steuern die Straßen der Reichen, die Schlösser der Adligen und die Sicherheit der Kapitalisten. Aber wo ist der Ausweg? Wer hat die Lösung? Die Lösung ist ganz einfach, und es gibt nur diese eine: Das Proletariat muss seinen Anspruch anmelden und endlich seine Rechte einfordern. Die Proletarier dieser Welt müssen sich vereinigen.“
    „Wer ist dieser Herr?“ fragte Guy leise einen anderen Zuhörer. „Das, mein lieber Freund, ist Karl Marx“, flüsterte dieser zurück „und ich bin Friedrich Engels. Wir arbeiten zusammen.“
    Karl Marx, so hieß er also, der Mann, von dem Guy schon viel gehört hatte. Gerechte Verteilung aller Güter. Kommunismus. Guy fühlte sich bestätigt und gleichzeitig überrumpelt. Was er hier hörte, bewegte ihn tief. Sein ruhiges, nachdenkliches Naturell brauchte ein bisschen Gewöhnungszeit.
    Natürlich stießen ihm die allgegenwärtigen Ungerechtigkeiten sauer auf. Viel hatte sich ja nicht verändert, seit die neuen Parlamentarier an der Macht waren. Korruption und Vetternwirtschaft bestimmten die öffentliche Verwaltung. Die Arbeiter verdienten immer noch zu wenig zum Leben. Die Bauern waren verarmt und besaßen oft kein eigenes Land mehr. Die Städte wuchsen ins Uferlose durch die Heerscharen von Landflüchtlingen, die in den großen Fabriken Arbeit suchten. Diese Produktionsstätten und die Eisenbahnlinien gehörten einigen Wenigen. Die Politiker schienen für die Banken zu arbeiten, die Banken mit dem Geld und für das Geld der Reichen. Zwar konnten die Arbeiter den Politikern bei der nächsten Wahl einen Denkzettel verpassen, aber ändern würde sich deswegen nichts. Nicht, solange sich nicht das System ändern würde.
    „Herr Marx, Sie sprechen mir aus der Seele. Schon länger habe ich solche Gedanken, aber noch nie jemand getroffen, der sie so präzise auszusprechen verstand.“ Guy hatte seinen ganzen Mut zusammen genommen und den großen Denker in einer kurzen Redepause angesprochen. Marx nippte an seinem Scotch und antwortet schlicht: „Ich weiß.“ Die Zuhörer lachten.
    Nach dem Essen kam Marx noch einmal auf Guy zu: „Es freut mich immer wieder, Menschen zu treffen, die meiner Meinung sind und sich mit meinen Ideen identifizieren“, sagte er und schüttelte Guys Hand. „Habe ich Ihren Namen nicht verstanden, oder vergaßen Sie im Eifer

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