AAA - Das Manifest der Macht
Morgengrauen.
Er schrieb seiner Frau eine liebevolle Nachricht, legte sie ihr ans Bett und bat sie, nicht vor dem Abend auf ihn zu warten. Seine geliebte Veronique verstand ihn immer, vor allem hatte sie Verständnis für seine sentimentale Bindung an die Stadt und außerdem spürte sie instinktiv, auch ohne Worte, dass ihm etwas Wichtiges auf der Seele lag.
Als Student hatte Guy in Berlin gelebt und die Stadt mit ihrer bewegten Geschichte, ihren großartigen Plätzen und den gastfreundlichen Berlinern liebgewonnen. Und er hatte seine Frau hier kennengelernt. Guy lächelte. Seine Veronique! Ein Ort Berlins war besonders eng mit ihr verknüpft: der Lustgarten in der Nähe des Doms. Dorthin hatte er sich zurückgezogen, wenn er Ruhe zum Nachdenken brauchte. Meist hatte er direkt auf dem Sockel der riesigen Schale gesessen, die der Steinmetz Christian Gottlieb Cantian im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. einem Granitblock abgerungen hatte. Im Schutz des Kunstwerks hatte Guy immer inneren Frieden und Ruhe gefunden, und dorthin war er jetzt unterwegs.
Noch in Paris hatte er die nötigen Werkzeuge besorgt und heimlich in seinen Koffer gepackt. Heute Morgen hatte er sie ebenso heimlich mitsamt dem Notizbuch in seine Aktentasche gesteckt und sich auf den Weg gemacht.
Endlich wieder leichten Herzens schlenderte er Unter den Linden in Richtung Museum und gab sich der glücklichen Erinne
rung an jenen Tag hin, an dem er mit Veronique hier spazieren
gegangen war. Er hatte sie in den Lustgarten und zur imposanten Granitschale geführt. Wie gut erinnerte er sich an seine Aufregung, an sein ungeschicktes Kramen in der Jackentasche, bis er endlich den Ring gefunden und um Veroniques Hand angehalten hatte. Wie schön und glücklich hatte sie ausgesehen!
Zeit, in die Gegenwart zurück zu kehren, befahl er seinen Gedanken.
Nun war er nach Jahren wieder hier, um eine weitere lebenswichtige Entscheidung zu treffen. Mit den Fingern fuhr er die vertrauten Risse entlang und fragte sich, wie es Cantian geschafft hatte, dieses wahrhaft monströse Objekt in einem Stück herzustellen und an diesen Ort zu bringen.
Er wandte sich ab und winkte eine Kutsche heran, denn er wusste genau, wo er sein Buch vergraben würde.
Es war schon spät am Abend, als er zufrieden und müde in das Haus seiner Schwiegermutter zurückkehrte und seine Frau glücklich umarmte.
„Konntest du deine Dinge erledigen?“ fragte sie ihn.
„Ja, Liebes, das konnte ich!“
Auf der Rückreise nach Paris murmelte Guy unzählige Male „ein Hinweis noch, noch ein einziger Hinweis.“ In ein paar Tagen würde es geschafft sein. Mehr konnte er nicht tun, um jemandem zum Schatz zu führen.
Der Flughafen Berlin Tegel glich aus der Luft auf den ersten Blick dem Pentagon bei Washington. Allerdings hatte der Flughafen eine Ecke mehr. Er ist also kein Pentagon, sondern ein Hexagon, dachte John und wandte den Blick vom Flugzeugfenster ab.
Was denke ich hier nur für einen Blödsinn, fragte er sich und konzentrierte sich auf das heftige Geruckel der ganzen Maschine, das einsetzte, als die Reifen auf der Rollbahn aufsetzten.
Langsam rollte sie in Richtung des Hexagons und positionierte sich an einem Arm, der aus einer Ecke des Sechsecks herausragte.
Die Anschnallzeichen erloschen, die Fluggäste erhoben sich von ihren Sitzen. Der Flug hatte nicht lange gedauert, und John vermisste das erleichterte Seufzen der Mitreisenden, wenn sie endlich wieder ihre Gliedmaßen ausstrecken konnten.
Langsam schob er sich hinter Sam und Ben in Richtung Ausgang. Bald darauf verließen sie das Flughafengebäude mit ihrem Gepäck und dem Schlüssel für einen unauffälligen Mietwagen.
Anscheinend nicht unauffällig genug, denn Dominique folgte ihnen in gebührendem Abstand.
„Fahren wir zum Hotel und laden unsere Sachen aus. Dann sehen wir weiter. Gib’ mir noch mal den Ausdruck von deinem Zeitungsartikel, Ben“, bat Samantha, die ausnahmsweise einmal John das Steuer überlassen hatte.
Sie überflog nochmals die Seiten und blieb bei den letzten Zeilen hängen.
„Er redet da von dieser Granitschale, die im Lustgarten in Berlin auf der Museumsinsel steht. Ich hab’ gestern mal alles Wissenswerte über sie gegoogelt. Sie schaut gigantisch aus, sie hat einen Durchmesser von über sechs Metern.“
„Und du glaubst, dass er die Schatzkarte dort versteckt hat?“, fragte Ben von der Rückbank.
„Wo denn sonst? Er
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